Dienstag, 29. Oktober 2019

[Werbung / kostenloses Rezensionsexemplar] Als wir den Himmel berührten - Marie Leander

Zusammenfassung: 
Ein Maler mit einem Herz aus Eis. Eine Frau, die es zum Schmelzen bringt. Und ein Geheimnis, das sie beide das Leben kosten könnte …
Marseille im Sommer 1940. Der Maler Nicolas Guyot sitzt zeichnend am Hafen. Ein verliebtes Paar fällt ihm auf, das so gar nichts mit den Scharen von Flüchtlingen gemein zu haben scheint, die verzweifelt versuchen, Europa zu verlassen. Als die Frau auf seine Bilder aufmerksam wird, bittet sie ihn überraschend, ein Porträt von ihr anzufertigen. Seit dem Tod seiner Ehefrau hat Nicolas sein Herz nie wieder für jemanden geöffnet, doch die attraktive Juline fasziniert ihn. Zunächst widerwillig, lässt er sich auf den Auftrag ein. Er ahnt nichts von den gefährlichen Geheimnissen, die Juline und ihr Mann verbergen – und dass diese auch ihm bald eine folgenschwere Entscheidung abverlangen werden ...

Meine Meinung: Der Einstieg in die Geschichte fiel mir schon mal super leicht. Wir lernen als Opener einen alten Mann kennen, vermutlich ist es Nicolas, der einen Brief von einem unbekannten Absender erhält und dieser Brief wirft ihn zurück in die Vergangenheit, zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Dort stoßen wir auf Juline und Georg, die in Marseille auf der Suche nach einer Unterkunft sind. Doch schon da merken wir als Leser, welche Auswirkungen der Krieg bereits auf die Stadt hat. Da schon so viele Flüchtlinge in der Stadt am Meer gestrandet sind, finden sie lange keine Bleibe, bis ein älterer Jude ihnen schließlich einen Tipp gibt.

Derweil hat Nicolas ganz andere Probleme, er schuldet seiner Vermieterin nämlich schon wieder Geld und schafft es grade so, sie ein letztes Mal zu vertrösten, da er hofft, bei deiner anstehenden Vernissage endlich wieder Geld einzunehmen. Er scheint genau der Typ Künstler zu sein, den man sich vorstellt. Er schläft lang, lebt in einer unaufgeräumten Wohnung und ist ständig knapp bei Kasse. Aber er ist keinesfalls unsympathisch.
Als Nicolas kurz darauf am Hafen ein paar Skizzen anfertigt, unter anderem auch von Juline und Georg, kommen die drei ins Gespräch. Nicolas ist sofort fasziniert von der jungen Frau und lädt das Paar zu seiner Vernissage ein. In was für ein Abenteuer er da hinein geraten würde, hätte er da sicher selbst noch nicht vermutet.

Mir haben während des Lesens vor allem die "kleinen" Szenen gefallen, die einem einerseits die Figuren näherbringen und zum anderen deutlich machen, wie sich die Lage in der Stadt Marseille langsam zuspitzt. Dabei denke ich an die Stelle, wo Nicolas unbedingt Croissants besorgen will oder an die Verabschiedung zwischen ihm und dem jüdischen Nachbarsjungen. Es gab unglaublich viele so kleine, berührende Momente.

Außerdem nimmt das Buch immer mehr Fahrt auf und man kann gar nicht mehr aufhören zu lesen. Und vor allem das Ende war wunderbar! Ohne zu spoilern: Ich konnte Nicolas so gut verstehen. Dieser Zwiespalt, in dem er gesteckt hat, diese kurzzeitige Verbitterung, die ihn überkommt.
Was mich allerdings wirklich tief berührt hat, ist der Moment, als er mit Yves auf dem Meer ist und für sich beschließt, nicht an dieser Verbitterung festzuhalten, sondern für etwas Gutes zu kämpfen. Die Welt im Rahmen seiner Möglichkeiten besser zu machen. (und wie schön war da auch nochmal das Aufgreifen des Titels?) Da musste ich schon ein bisschen weinen.

Lediglich ein Wiedersehen am Ende war mir etwas zu kitschig und nachdem ich am Ende wieder bei der Rahmenhandlung angelangt war, war ich auf einen Charakter unglaublich wütend! Wenn ihr es lest, werdet ihr wissen, von wem ich spreche.

Und dann das Nachwort <3 Ich finde es schön, wenn ich dort nicht nur Danksagungen lese, sondern der Autor nochmal ein bisschen zum Hintergrund der Geschichte erzählt. Vor allem wenn es, wie hier, auf wahren Begebenheiten beruht. Von Varian Fry habe ich noch nie gehört und werde das nun ganz bestimmt ändern und mich mal mit ihm befassen.

Danke für dieses wundervolle Büchlein <3

Cover und Titel: Der Titel wird, wie schon oben erwähnt, wunderbar erläutert. Und das Cover ist ja wohl der Knaller. Passt ebenso gut zur Geschichte; diese junge Frau die so sehnsuchtsvoll auf das große Schiff schaut, das für sie und viele andere Menschen die einzige Rettung sein könnte.

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Ja natürlich :)

Mittwoch, 23. Oktober 2019

[Werbung / kostenloses Rezensionsexemplar] Wie Frau Krause die DDR erfand - Kathrin Aehnlich


Zusammenfassung: Für eine Fernsehserie »Wild Ost« gibt es ein klares Konzept, die Inhalte stehen fest, man braucht nur noch die Menschen, die authentisch erzählen, »wie es wirklich war«. Sie zu finden ist Frau Krauses Auftrag. Was aber, wenn jene, die nicht dort gelebt haben, besser wissen, wie es »im Osten« war? Was wird dann erzählt?
Zehn Ostdeutsche zu finden, die für eine Fernsehserie aus ihrem Leben erzählen, sollte für Isabella Krause einfach sein. Schließlich ist sie in der DDR aufgewachsen, auch wenn sie mehr Jahre im vereinten Deutschland verbracht hat als in der DDR. Sie kehrt also an die Orte ihrer Kindheit zurück und findet Menschen, die sie für DDR-repräsentativ hält: die Traktoristin, den Stahlwerker, die Köchin, den ehemaligen Staatsschauspieler.
Doch der Filmautor kommt aus München und hat ein eigenes Bild von der DDR. Und das ist, dreißig Jahre nach dem Mauerfall, auf Diktatur, Mangelwirtschaft und Staatssicherheit geschrumpft. Doch was ist mit dem Leben der Anderen? Der ganz Anderen, die ihre Arbeit mochten, das Land tolerierten und am Wochenende »Ein Kessel Buntes« guckten? Und was unterschied das Familienleben Ost vom Familienleben West?
Davon erzählt Kathrin Aehnlich, wie es nur wenige können, mit Witz und Empathie, und zeigt, wie wichtig es ist, einander zuzuhören.

Meine Meinung: Ich habe Vorablesen übrigens nicht den Rücken gekehrt. Hatte nur so viel Anfangsglück bei Lovelybooks, dass ich da erst mal wie der Teufel rezensieren musste :D Daher habe ich dieses arme Büchlein erst mal vernachlässigt, aber jetzt kam es dran und war auch tatsächlich an einem Tag ausgelesen, weil das Buch auch nur knappe 180 Seiten hat. Im Prinzip gibt die Inhaltsangabe die grundsätzliche Geschichte schon ganz gut wieder. Isabella führt ein relativ tristes Leben als schlecht bezahlte Schauspielerin und nimmt daher den Job auch gerne an, der sich ihr bietet, auch wenn er hinter der Kamera spielt. Sie soll 10 Menschen finden, die für eine TV-Reihe aus ihrem Leben in der DDR erzählen. Blöd nur, dass die Menschen, die Isabella kennt, so gar nicht das schaurige Bild malen, das sich der Regisseur erhofft hat. Also muss sie sich was einfallen lassen.

Ich fand es sehr schön, hier auch mal eine andere Seite der DDR kennen zu lernen, denn tatsächlich besteht auch mein Bild dieses kurzlebigen Staates nur aus Stasi, Verboten und Mangel. Dass viele Menschen ihr Leben bzw. ihre Kindheit in der DDR als schön und normal empfunden haben, habe ich schon aus einigen Blogeinträgen von der Mäusedoktorin und von Pinni vernommen und fand den Gedanken zugegebenermaßen anfangs komisch. Daher fand ich es um so spannender, darüber mal ein Buch zu lesen. Und zwar von jemandem, der selbst in der DDR groß geworden ist.

Es waren kleine Dinge, die in ihrer Summe großes Glück bedeuteten: An jedem Morgen der Gang über die Düne, der Blick auf das glitzernde Meer, den feinen, weißen Sand unter den Fußsohlen spüren, sich darin kugeln oder eingraben, Kleckerburgen bauen, die winzigen Fische im flachen Wasser mit dem Kescher fangen, Muscheln suchen, im Strandkorb sitzen, der Geruch nach sonnengebleichtem Holz und Nussöl, das getrocknete Salz auf der Haut. [...]
Aber all diese Schätze zählten im Nachhinein nicht mehr. Die Ostsee wurde als Reiseziel nicht ernst genommen.

Das Buch macht an vielen Kleinigkeiten klar, weshalb die Kluft zwischen Ost und West immer noch oft groß ist. Woher dieses Gefühl kommt, dass man vergessen und überholt wurde von den Ereignissen. Das war super spannend zu lesen.

Gesucht wird beim Kreuzworträtsel ein "Zänkischer Zwergstaat mit drei Buchstaben"? Die Lösung hieß "DDR". Und genau auf diesen Zwergstaat wurde die DDR auch drei Jahrzehnte nach ihrem Untergang, oft völlig humorfrei, reduziert.
Isabella war es meist peinlich, wenn sie die Bilder von "Damals" sah, und sie fragte sich, ob sie sich im Nachhinein dafür schämen musste, in diesem Land gelebt zu haben.
Die Antipoden hießen nicht Sozialismus und Kapitalismus, sondern Großmutter Isa und Frau Magda. Die Familie war sich selbst genug und hatte das Land ringsherum als notwendiges Übel betrachtet.

Ganz herrlich fand ich die alltäglichen Erzählungen der Protagonisten, (die übrigens allesamt wunderbar beschrieben wurden, hatte sie alle bildlich vor Augen) die jedes Mal total irritiert waren, wenn die Frage aufkommt, ob sie denn nicht zu ALLEM gezwungen wurden?

Zwei kleine Kritikpunkte hab ich allerdings auch. Zum einen hätte man die Geschichte noch wesentlich besser ausbauen können. Ich konnte zu keiner der Personen eine wirklich Beziehung aufbauen, weil alle nur so kurze Auftritte hatten. Und ich hätte mir auch tatsächlich noch die ein oder andere Alltagsgeschichte mehr gewünscht.
Zum anderen wird am Anfang des Buches recht lange auf Isabellas aktuelle Situation eingegangen (einsam, Glücksspiel etc.) und hinterher kommt das überhaupt nicht mehr zur Sprache. Das wirkte auf mich irgendwie unfertig.

Wenn man aber sein Bild von der DDR etwas abrunden möchte oder aber dort aufgewachsen ist, wird dieses Buch sicherlich Freude bereiten.

Titel und Cover: Zum Cover muss man nicht viel sagen, die enthaltenen Bilder passen alle wunderbar zur DDR. Vor allem die Weltuhr auf dem Alexanderplatz ist auch ein DDR Projekt gewesen, das war mir gar nicht bewusst. Der Titel wird am Ende des Buches auch sehr klar, ein gutes Gesamtpaket also.

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Zugegebenermaßen bin ich mir da nicht so sicher. Ich denke, ich werde es verschenken. :)

Montag, 21. Oktober 2019

[Werbung / kostenloses Rezensionsexemplar] Ein anderer Takt - William Melvin Kelley



Zusammenfassung: Die kleine Stadt Sutton im Nirgendwo der Südstaaten. An einem Nachmittag im Juni 1957 streut der schwarze Farmer Tucker Caliban Salz auf seine Felder, tötet sein Vieh, brennt sein Haus nieder und macht sich auf den Weg in Richtung Norden. Ihm folgt die gesamte schwarze Bevölkerung des Ortes. William Melvin Kelleys wiederentdecktes Meisterwerk "Ein anderer Takt" ist eines der scharfsinnigsten Zeugnisse des bis heute andauernden Kampfs der Afroamerikaner für Gleichheit und Gerechtigkeit. Fassungslos verfolgen die weißen Bewohner den Exodus. Was bringt Caliban dazu, Sutton von einem Tag auf den anderen zu verlassen? Wer wird jetzt die Felder bestellen? Wie sollen die Weißen reagieren? Aus ihrer Perspektive beschreibt Kelley die Auswirkungen des kollektiven Auszugs. Liberale Stimmen treffen auf rassistische Traditionalisten. Es scheint eine Frage der Zeit, bis sich das toxische Gemisch aus Wut, Verzweiflung und Hilflosigkeit entlädt. Mal mit beißendem Sarkasmus, mal mit überraschendem Mitgefühl erzählt hier ein schwarzer Autor vom weißen Amerika. Ein Roman von beunruhigender Aktualität.

Meine Meinung: Als ich das Buch bei Vorablesen entdeckt habe, gefiel mir das Cover sofort. Und als ich dann die Zusammenfassung gelesen habe, war mir klar, dass ich das Buch super gerne lesen würde. Ich meine, wie gut ist denn bitte diese Story Idee?
Hinzu kommt, dass das eines dieser wiederentdeckten Bücher ist, denn die Erstausgabe wurde bereits 1962 veröffentlicht. Außerdem spannend ist, dass der Autor damals erst 24 Jahre alt war und zudem schreibt er als Farbiger die ganze Geschichte aus Sicht der weißen Bewohner des Dorfes. Das alles versprach, ein höchst spannendes Lesevergnügen zu werden.,

In manchem war die Geschichte genau so, wie ich es mir vorgestellt habe, dafür an ein paar Stellen auch gänzlich anders. Was genau so beschrieben wurde, wie ich es erwartet hatte, war der Anfang. Die gesamte weiße Dorfbevölkerung ist völlig verdattert, als eine riesige Salzlieferung für den Hof von Tucker Caliban kommt. Nach und nach versammeln sich alle am Rande seiner Felder und sehen dabei zu, wie er Salz verteilt, seine Tiere tötet und schließlich seine Farm anzündet. Und dann geht er. Zusammen mit seiner Frau. Genau wie tausende andere Farbige im Umkreis. Alle sehen zwar zu und wundern sich, aber niemand traut sich, die Leute direkt anzusprechen und nachzufragen (außer ein kleiner aufgeweckter Junge). Und zwar weil sie Angst haben. Sie haben Angst, zuzugeben, dass sie ohne die schwarze Bevölkerung gar nicht zurecht kommen würden. Das hat mich königlich amüsiert, vor allem weil sie sich alle ständig versichern, dass das Gegenteil der Fall ist. Man merkt einfach, wie selbstverständlich sie davon ausgehen, dass die schwarze Bevölkerung immer da sein wird und immer gehorchen wird.

Schweigend saßen sie da und dachten darüber nach, was das alles mit jedem Einzelnen von ihnen zu tun hatte und wie sich der nächste Tag, die nächste Woche, der nächste Monat vom vergangenen Tag, der vergangenen Woche, dem vergangenen Monat, von ihrem ganzen bisherigen Leben unterscheiden würde. Keiner war imstande, es zu Ende zu denken. Es war, als würde man versuchen, sich das Nichts vorzustellen, etwas zu erfassen, das noch nie jemand gedacht hatte. Keiner von ihnen verfügte über einen Bezugspunkt, an dem er das Konzept einer Welt ohne Neger hätte festmachen können.

Überrascht hat mich dafür, dass ein Großteil des Buches aus Sicht von der Familie erzählt wird, bei der Tucker und seine Frau jahrzehntelang gearbeitet haben. Ich dachte, dass quer durchs Dorf jeder Mal zu Wort kommt. Aber das ist nicht unbedingt schlecht, denn so erfährt man einiges aus der Familie, die am engsten mit Tucker und Bethrath zusammen gelebt haben. Die Kinder erzählen, wie sie mit Tucker und seiner Frau aufgewachsen sind und wie sie erst im Erwachsenenalter verstanden haben, was es eigentlich heißt, wenn man im Süden lebt und schwarz ist. Vor allem David scheint das erst nach Tuckers Verschwinden so richtig zu begreifen. Er öffnet ihm quasi die Augen mit seinem Handeln. Das fand ich richtig schön.

Wir haben hier ein wunderbares, kleines Buch, das der Gesellschaft mit ganz unaufgeregter Art den  Spiegel vorhält und erzählt von einem friedlichen, stummen Protest, der dennoch viel bewirkt. Es war eine gute Mischung aus Schmunzel-Momenten und Nachdenklich-machen. Immer wenn ich solche Geschichten lese ist es für mich unvorstellbar, wie lange farbige Menschen vor allem in den Staaten ungerecht behandelt wurden (ich weiß, dass das nett ausgedrückt ist).

Übrigens hat mir auch der kleine Epilog am Anfang gefallen, der von dem berüchtigten Vorfahren von Tucker berichtet. So hat man eine Verbindung zur noch dunkleren Zeit in Amerika.

Cover und Titel: Dass mir das Cover sehr gut gefallen hat, hab ich ja oben schon geschrieben. Das Foto hat für mich diese Art Aufbruchstimmung, die sehr gut zum Buch passt. Auch der Titel gefällt mir. Man kann ihn vielfältig interpretieren, für mich heißt das vor allem, dass sich das Leben der Weißen nach dem Weggang der Schwarzen ändern wird. Dass es ab jetzt in einem anderen Takt schlagen wird.

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Auf jeden Fall.


Sonntag, 20. Oktober 2019

[Werbung/kostenloses Rezensionsexemplar] Miroloi - Karen Köhler



Zusammenfassung: Ein Dorf, eine Insel, eine ganze Welt: Karen Köhlers erster Roman erzählt von einer jungen Frau, die als Findelkind in einer abgeschirmten Gesellschaft aufwächst. Hier haben Männer das Sagen, dürfen Frauen nicht lesen, lasten Tradition und heilige Gesetze auf allem. Was passiert, wenn man sich in einem solchen Dorf als Außenseiterin gegen alle Regeln stellt, heimlich lesen lernt, sich verliebt? Voller Hingabe, Neugier und Wut auf die Verhältnisse erzählt „Miroloi“ von einer jungen Frau, die sich auflehnt: Gegen die Strukturen ihrer Welt und für die Freiheit. Eine Geschichte, die an jedem Ort und zu jeder Zeit spielen könnte; ein Roman, in dem jedes Detail leuchtet und brennt.

Meine Meinung: Ganz ehrlich? Hier kam in mir mal ein kleiner Snob hoch und ich habe mich bei Lovelybooks auf das Buch beworben, weil ich gehört habe, dass es auf der Liste für den Deutschen Buchpreis steht. Eigentlich gebe ich auf sowas nicht viel und bin auch schon oft genug damit auf die Nase gefallen, weil ich Bücher gelesen habe, die die Kritiker loben, die mir persönlich dann aber gar nicht zugesagt haben. Aber ich dachte, für lau könnte es dann ja nicht schaden ;)

Ich bin gut reingekommen in die Geschichte und man bekommt schon zu Beginn einen ziemlich guten Überblick über die Welt, in der die Protagonistin lebt. Sie wächst auf in einem kleinen Dorf, dass alle klassischen Eigenschaften hat, die man damit verbindet. Und es ist noch etwas extremer, es geht schon sehr in Richtung Sekte. Die Einwohner sind abergläubisch, misstrauisch gegenüber allem Fremden, haben immer alles im Blick. Zudem ist die Gemeinschaft streng gläubig und patriarchisch aufgebaut. Die Männer haben das Sagen, machen die Gesetze, treffen die Entscheidungen. Die Frauen und Kinder müssen gehorchen. Frauen dürfen außerdem nicht Lesen und Schreiben lernen. Das Leben dort ist sehr einfach, es gibt keinen Strom, und der Alltag ist von viel harter Arbeit auf den Feldern geprägt. Und wie alle streng gläubigen Gemeinschaften suchen sie für alles, was sie ratlos zurücklässt, einen Sündenbock. Da unsere Protagonistin als Findelkind auf die Insel und ins Dorf gekommen ist, gehört sie nirgendwo richtig dazu, darf sie keinen Namen haben und auch nichts besitzen. Da ist es ja klar, dass sie auch als Sündenbock herhalten muss. Von den Kindern des Dorfes wird sie tagtäglich beschimpft und auch manche Erwachsene werden ihr gegenüber ausfallend oder sogar gewalttätig. Andere Dorfbewohner wiederum behandelt sie zumindest mit Respekt, auch weil sie fleißig ist, beim Betvater aufwächst und man sie für Arbeiten ausleihen kann.

Anhand der Beschreibungen der Protagonistin merkt man unterschwellig immer die Wut auf all diese Ungerechtigkeit. Wie soll sie irgendetwas beurteilen von den Vergleichen, die die Älteren immer anstellen? Sie kennt ja nichts außer die Insel und es ist ihr verboten, diese zu verlassen. Und wieso behandeln sie alle so schlecht, obwohl sie sich doch solche Mühe gibt?

Gleichzeitig zu dieser Wut und diesem Sich-Fremdfühlen kommen aber auch immer wieder kleine Momente der Freude und der Vertrautheit auf. Besonders die jährlichen Rituale im Einklang mit den Jahreszeiten lösen bei ihr größtenteils ein heimeliges Gefühl aus. Und sie kocht sehr gerne und kann bei dieser und auch bei anderen nützlichen Tätigkeiten abschalten. Auch für ihre Zieheltern, den Betvater und Mariah, hegt sie liebevolle Gefühle. Ich kann ihre Freude über das Geschenk, das Mariah ihr macht, daher wirklich gut nachvollziehen. Sie hat noch nie etwas besessen und nun bekommt sie direkt mehrere Dinge, die ihr viel Bedeuten. Ich fand den Moment so schön, als sie mit den Buchstaben auf dem Bett saß und sich auf die neue Welt gefreut hat, die sich ihr nun bald eröffnen wird. Das können wir Leseratten ja nur bestätigen, ne? ;)

Alles in allem hat mir das Buch wunderbar gefallen. Es ist kein schönes Buch, es macht nicht glücklich, aber es ist ein Buch, was man Lesen sollte. Weil es aktuell ist. Nicht unbedingt hier in Deutschland, wo wir in einer aufgeklärten Gesellschaft leben, aber in ganz vielen Regionen dieser Welt ist es brandaktuell. Ich würde mich nicht als radikale Feministin bezeichnen, aber die Aussagen dieses Buches sind treffend und die enthaltene Gesellschaftskritik durchaus nötig, daher kann ich die Kritik, die das Buch in dieser Richtung schon oft bekommen hat, nicht nachvollziehen. Mal abgesehen davon, dass es hier in meinen Augen generell um Unterdrückung geht, denn auch die Bethaus-Schüler zum Beispiel werden unter der Fittiche gehalten. Die Autorin schafft es außerdem, ohne Effekthascherei und ganz subtil nach und nach eine ungeheure Spannung aufzubauen. Mit jeder Seite wird klarer, dass bald irgendetwas Schlimmes passieren wird. Ich hab mich mit jedem neuen Schritt für die Protagonistin gefreut, war aber auch gleichzeitig jeder Person gegenüber misstrauisch und hatte Angst, dass ihr irgendwer in den Rücken fällt. Auch die Leute, denen sie vertraut. Zumal sie auch immer unvorsichtiger und auch aufmüpfiger geworden ist. Am Ende des Buches haben mich fast alle Charaktere einfach nur angewidert. Ich war unheimlich aufgewühlt. Mit einigem hatte ich so nicht gerechnet, aber das kann ich jetzt schlecht schreiben, ohne zu spoilern. Ich glaube jedenfalls, dass ich vor allem deshalb so angewidert war, weil ich sicher war, dass es sich auch in der Realität genau so abspielen würde.

Sprachlich wird hier auch richtig gezaubert wie ich finde. Beispielsweise hält der Ältestenrat die meisten Neuerungen von den Dorfbewohnern fern, damit sie nicht "drübensüchtig" werden und abhauen. Oder es fallen Sätze wie "Ein kurzer Abschied, dann husche ich aus der Tür und zickzacke durch die Gassen.". Mag ich! Genau so wie es gelingt, dass man zwar merkt, dass hier ein Kind im Übergang zur Frau schreibt, aber dennoch steckt so viel Weisheit in dem Geschriebenen. Beispielsweise wird immer gesagt "Sie kocht beim kochen und putzt beim Putzen." um auszudrücken, dass sie grade mit den Gedanken bei der Tätigkeit ist. Andersherum ist sie unkonzentriert, wenn sie "nicht beim Kochen kocht". Das liest sich jetzt vielleicht seltsam, im Buch wird es klarer und ich finde diese Art der Beschreibung großartig. Sprachlich gibt es hier also auch beide Daumen hoch.
(Kleine Frage, soll die Khorabel eine Wortmischung aus dem Koran und der Bibel sein?).

Zeitlich ist die Geschichte durch den Hinweis, dass die Protagonistin in einer Bananenkiste mit einer Zeitung abgelegt wurde, in der über die erste Mondlandung berichtet wird, ja recht gut einzuordnen. Die beschriebene Umgebung lässt auf Griechenland oder Ähnliches tippen. Letztendlich hatte ich den Eindruck, dass sich die Autorin aber sowohl bei dem Ort als auch bei den Speisen und den Ritualen in ganz verschiedenen Regionen und Religionen der Erde bedient hat. Hier wurde bewusst eine Mischung aus vielem geschaffen um zu verdeutlichen, dass Unterdrückung der Frau, Aberglaube und Missbrauch von Religion ein universelles Problem sind. Super!

Cover und Titel: Die Haptik des Buches ist wunderbar, da der Einband sich anfühlt wie in Stoff eingeschlagen und die Gestaltung ist schlicht und passend. Das Wasser spielt eine große Rolle im Buch und hat daher wohl auch seinen Weg aufs Cover gefunden. Schön war außerdem, dass bereits auf Seite 10 ein Hinweis auf den Titel zu finden ist. Miroloi ist der griechische Begriff für ein von Frauen gesungenes Klagelied. Treffender geht es nicht, oder?

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Oh ja! 

Sonntag, 6. Oktober 2019

[Werbung / kostenloses Rezensionsexemplar] Auf der Suche nach Erleuchtung fand ich das Licht - Tenzin Lahkpa



Zusammenfassung:
Die faszinierende Lebensgeschichte eines tibetischen Mönchs, der zu den Füßen des Dalai Lamas saß. Doch die gesuchte Erleuchtung fand er erst im Licht Jesu. Mit einzigartigen, bisher noch nie dokumentierten Einblicken in die Welt des tibetischen Buddhismus.
Als ihn seine Eltern mit fünfzehn Jahren in einen Tempel in Tibet bringen, akzeptiert Tenzin Lahkpa sein Schicksal und folgt von nun ab voller Leidenschaft den Wegen Buddhas. Seine Suche nach Erleuchtung führt ihn schließlich in den berühmten Potala Palast in Lhasa, Tibet. Doch er hat noch einen größeren Lebenstraum: Zu den Füßen des Dalai Lamas zu lernen. Barfuß und ohne Geld begibt sich Tenzin auf eine anstrengende, über 3000 km lange Reise. Doch als er sein Ziel erreicht und den Dalai Lama kennenlernt, ist seine Sehnsucht nach Wahrheit noch immer nicht gestillt. Dann begegnet ihm eines Nachts Jesus im Traum. Tenzin ist fasziniert, doch er weiß: Wer einmal Mönch geworden ist, hat eigentlich einen lebenslangen Vertrag mit dem Buddhismus ...

Meine Meinung: 
Ich muss eines vorweg sagen: Ich habe mich sehr über das Buchpaket gefreut und fand auch die ganzen Beigaben sehr interessant, allerdings konnte ich nicht anders, als leicht enttäuscht zu sein, als ich gemerkt habe, dass das Buch von einem christlichen Verlag kommt. Versteht mich nicht falsch, an sich ist das ja gar nichts Schlimmes, aber irgendwie ist der Verlag dann ja nicht ganz so unabhängig in der Auswahl der Texte und es ist ja beispielsweise logisch, dass da jetzt kein Buch veröffentlicht wird, das den Buddhismus in den Himmel lobt. Versteht ihr, was ich meine?

Die ersten 50 Seiten haben mir aber dennoch schnellen Einstieg in das Buch gewährt, da es verständlich geschrieben ist und man viel über das Leben in Tibet erfährt. Auch über den Buddhismus an sich habe ich viel gelernt, bislang habe ich mich nämlich nie intensiv befasst. Ich kannte nur die Tatsache, dass man Karma sammelt und wiedergeboren wird. Nicht aber, dass es Höllen gibt oder dass Liebe zur Familie als keine besonders erstrebenswerte Eigenschaft ist (was ich schockierend fand!).

Dennoch konnte ich das leicht ungute Gefühl, das ich immer habe, wenn ich Bücher für oder gegen eine bestimmte Religion lese, nicht ganz ablegen. Ich selbst bin nicht sonderlich gläubig im herkömmlichen Sinne, ich glaube eher an die Macht der eigenen Gedanken und an die Tatsache, dass alles im Leben einen Sinn hat, auch wenn man ihn nicht immer gleich erkennen kann. Meiner Meinung nach kann Religion unglaublich viel Gutes bewirken, wenn sie richtig eingesetzt wird. Sie kann Leute motivieren, kann ihnen wieder Hoffnung geben oder sie schwere Zeiten durchstehen lassen. Genau so gut kann sie aber zu Hass, Gewalt und unglaublichem Leid führen. Das ist dann nämlich leider immer Sache der Auslegung. Und so wie der Buddhismus dem kleinen Tenzin keine Erfüllung sondern nur Angst und Druck brachte, wird er anderen Menschen helfen.
Da ich viele seiner Erzählungen unter diesem Aspekt sehe, kann ich zwar sein Leid durchaus nachvollziehen, aber kann bei weitem nicht alles auf den Buddhismus zurückführen.

Nachdem Tenzin den ersten Schock überwunden hat, dass seine Eltern ihn ins Kloster geben ( das ist auch so eine kulturelle Geschichte. In Deutschland wäre das für fast alle Eltern sicherlich undenkbar, während es für Tenzins Eltern eine Ehre ist), lebt er sich gut ein. In dem Abschnitt gab es für mich ein paar Mal Momente, in denen ich nicht genau wusste, ob er sich nun wohlfühlt oder nicht. Einerseits sagt er ja ganz klar, dass er nie so glücklich war wie im Kloster, weil er in seiner Arbeit aufgeht und sich keine Gedanken mehr um sein Aussehen oder um andere weltliche Dinge machen muss. Sein Alltag ist klar strukturiert und seinem Geist scheint das gut zu tun. Andererseits leidet er sichtlich darunter, dass andere Schüler missbraucht und viele (auch er) geschlagen werden. Er entdeckt, dass scheinbar viele der Lehrer zwar die buddhistischen Lehren weitergeben, sich aber selbst am wenigsten daran halten. Das ist sicherlich auch der Grundstein für seine Zweifel an der Religion, die immer stärker werden.

Auch hier hatte ich aber permanent den Gedanken, dass es das leider in allen Religionen dieser Welt gibt. Es wird immer Leute geben, die mit dem Finger auf andere zeigen und streng auf die Einhaltung der religiösen Regeln pochen, nur um sie selbst ständig zu missachten. Das ist ein menschliches Problem, kein religiöses.

Der für mich spannendste und interessanteste Abschnitt des Buches ist Tenzins Zeit in Lhasa. Bis jetzt wusste ich nahezu nichts über die tibetanische Geschichte und hier erfährt der Leser so einiges. Zunächst reist Tenzin in ein Kloster in Gansu. Dort lebt er mehrere Jahre lang und erweitert zwar sein Wissen, irgendwann überkommt ihn aber dennoch der Drang, endlich nach Lhasa weiter zu reisen und dort seinen Onkel zu finden. Zum einen erhofft er sich mehr Weisheit von ihm und zum anderen geht es im in Gansu viel zu sehr um den Hass auf die dort lebenden Muslime.

Während seiner Zeit in Lhasa übernimmt die kommunistische chinesische Regierung immer mehr Macht, ermordet die Oberhäupter der tibetanischen Glaubensgemeinschaft und lässt es wie Unfälle aussehen. Die Tibeter fühlen sich immer machtloser, haben das Gefühl, dass sie ihrer Kultur beraubt werden (denn für Kommunisten ist Religion absolut unwichtig) und müssen ihre Kinder auf chinesische Schulen schicken, damit sie einigermaßen in Ruhe leben können. Doch die Kinder bekommen dort natürlich viel Gehirnwäsche mit auf den Weg. In diesem Zusammenhang wird auch erklärt, weshalb die Tibeter auf die Idee den Selbstentzündungen gekommen sind, die ja immer wieder durch die Medien gehen. Das hatte ich früher nie in Zusammenhang setzen können.
Und schließlich flüchtet Tenzin über das Gebirge zu Fuß nach Indien. Allein diese Willenskraft aufzubringen, diese gefährliche, zermürbende Reise auf sich zu nehmen. Wir Wohlstandsdeutschen würden nach einem Tag vermutlich zusammenklappen.
Doch er kommt in Indien an und lebt dort 7 Jahre lang in einem Kloster. Dort trifft er zu Beginn einen entfernten Verwandten, der in Amerika lebt und der ihm erzählt, dass er und seine Familie sich Jesus zugewandt haben und dass es ihnen seitdem so gut wie noch nie ginge. Damals ist Tenzin zwar schockiert über diese Offenbarung und schickt den Verwandten weg, dennoch bleibt der Gedanke an Jesus in ihm. Er wundert sich vor allem, warum er noch nie von ihm gehört hat und er fährt nach und nach, dass Jesus für die Buddhisten eine gefährliche Figur ist, sodass niemand seinen Namen auch nur erwähnen möchte. Hier fand ich die Ablehnung der Buddhisten auch wieder sehr erschreckend und dachte mir gleichzeitig, dass auch sie scheinbar ein grundlegendes Prinzip noch nicht verstanden haben: Sag jemandem, er solle sich auf gar keinen Fall mit diesem und jenem Thema beschäftigen und es wird ihm unter Garantie erst recht nicht mehr aus dem Kopf gehen ;)

Dann trifft Tenzin mehrfach auf den Dalai Lama und in diesem Textabschnitt habe ich für mich die Begründung gefunden, weshalb der Buddhismus für die ganze Welt (bzw. für diejenigen, die weniger tiefe Einblicke haben, also mich zum Beispiel) so verlockend ist. Der Dalai Lama ist das Aushängeschild dieser Glaubensrichtung und seine Reden werden in der ganzen Welt weitergegeben. Und das, was er sagt, klingt nun mal wirklich völlig anders als das, was Tenzin oft beigebracht wird. Offener ggü. anderer Weltanschauungen. Nur Jesus wird auch vom Dalai Lama mit keinem Wort erwähnt...

Die endgültige Zuwendung zum Christentum erfolgt dann durch eine Krankheit Tenzins. Das Buch macht sehr schön deutlich, wie lange der Prozess ist und wie schwer es ist, aus alten Denkmustern auszubrechen. Man merkt, wie zerissen er innerlich ist. 

Seitdem lebt er in China und hat eine Organisation gegründet, die Tibetern medizinische Hilfe und einen Ort zum Schlafen während der Behandlungen zukommen lässt. Außerdem hat er seine Frau während dieser Arbeit kennen gelernt, was ihm als Mönch niemals möglich gewesen wäre.

Für Tenzin habe ich mich unglaublich gefreut. Insgesamt fand ich das Ende aber etwas zu verklärt. Für Tenzin scheint die Bibel nur Schönes zu verkünden, tatsächlich gibt es aber auch dort unglaublich brutale Geschichten (die Kreuzigung selbst ist das beste Beispiel oder die von Abraham, der seinen Sohn opfern soll).

In den Bemerkungen am Ende hat mich schockiert, dass die Verfolgung der Christen in China auch heute wirklich noch so extrem ist, ja sogar wieder schlimmer geworden ist. Es ist toll, dass dieses Buch darauf aufmerksam macht! Schade fand ich wiederum, dass der Geschichte einige Orte und Begebenheiten hinzugefügt wurden. Ich verstehe, dass dies teilweise vielleicht nötig war, um Identitäten zu verschleiern oder zum Verständnis beizutragen, dennoch frage ich mich im Nachhinein, was Tenzin nun wirklich erlebt hat und was nicht.

Alles in allem war ich aber sehr dankbar für diese Lektüre, denn ich habe einiges dazu gelernt und werde zu dem Thema sicherlich noch weitere Lektüre lesen :) Denn wie ihr seht, hat sie mich sehr beschäftigt und zum Nachdenken angeregt, vor allem da ich mir Buddhisten bis jetzt immer als ausgeglichene, friedliche Zeitgenossen vorgestellt habe. Aber es ist eben doch wie in jeder anderen Religion auch...

Titel und Cover: Das Cover und auch die Bilder im Buch fand ich sehr passend. Natürlich hätte ich gerne ein paar persönliche Bilder von Tenzin gesehen, aber wenn solche Bilder überhaupt existieren, dann kann man die natürlich nicht veröffentlichen, weil er mit Konsequenzen rechnen müsste. Den Titel finde ich super, denn ein Buddhist verbring sein ganzes Leben mit der Suche nach Erleuchtung und Jesus wird ja auch "Lichtbringer" genannt. Daher sehr gut ausgesucht!

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Hmm...das kann ich noch nicht sagen. Das Buch muss erst eine Zeit lang sacken.

Sonntag, 22. September 2019

[Werbung/kostenloses Rezensionsexemplar] Die geilste Lücke im Lebenslauf - Nick Martin

Zusammenfassung: 
In seinem kaufmännischen Bürojob läuft Nick sein Leben davon. Nach einem Winterurlaub in Neuseeland beschließt er einen Cut: Er lässt Job und Sicherheiten, Freunde und Alltag zurück und geht auf Weltreise. Aus einem Jahr werden bald sechs Jahre, und aus dem jungen Mann aus der fränkischen Provinz wird ein anderer Mensch.

Auf seinen Reisen durch über 70 Länder lernt er mehr fürs Leben als in jeder noch so steilen Karriere: Er wird verhaftet, angeschossen und ausgeraubt, er durchsegelt einen Hurrikan auf dem Pazifik, arbeitet als Reisejournalist für eine renommierte Fluggesellschaft, versucht sich als Schmuggler und verdient ein paar Dollar als Stripper in Las Vegas. Für Nick gibt es kein ›Ich muss fort, ich muss einpacken, ich muss da und da hin‹, sondern er lebt in den Tag hinein.

Und seine Abenteuer sind noch lange nicht zu Ende. Aus Nicks geilster Lücke im Lebenslauf ist ein neuer Lebensinhalt geworden. Gemeinsam mit der Berliner Autorin Anita Vetter hat er sein Abenteurerleben in Fotos und Storys festgehalten.

Meine Meinung: Ich liieeebe Reiseberichte und daher war meine Freude groß, als ich bei Lovelybooks tatsächlich für diese Leserunde ausgelost wurde.

Das Buch liest sich super rasant und spannend, weil Nick so unglaublich viel erlebt. Und klar schlittert Nick auch mal in ausgewachsene Abenteuer wie den Sturm auf hoher See (das geht vermutlich gar nicht anders, wenn man auf Weltreise geht), aber es wird nicht in jedem Kapitel effektheischend eine neue lebensbedrohliche Situation erzählt. Im Gegenteil, es werden auch ausführlich mal die ruhigen (einfach mal in der Hängematte am Strand liegen) oder die richtig beschissenen Situationen (Busfahrt mit Lebensmittelvergiftung in Mexiko) geschildert. 

Richtig gut gefällt mir außerdem, dass man an den Bildern sieht, dass hier kein Travelblogger, gesponsort von Hotels, Fluglinien und Reiseveranstaltern, mit seiner Canon und 5 verschiedenen Objektiven losgezogen ist und uns Bilderbuchfotos präsentiert. Die Bilder sind mitten aus dem Leben, zeigen mal die Landschaft, mal die Leute, die Nick getroffen hat. Sie sind ehrlich. Das finde ich ganz großartig.

Und nicht zuletzt mag ich die zugrunde liegenden Aussagen. Wie er von der Geschichte des Vaters einer Freundin erzählt, der seinen Lebenstraum so lange hinten an gestellt hat, bis er gestorben ist. Dass man genau deswegen seine Träume jetzt verwirklichen soll. Dass man durch das Reisen erst mal wieder merkt, wie viel Angst heutzutage über die ganzen Medien geschürt wird und dass man dort draußen auf so unendlich viele tolle, freundliche, offene und hilfsbereite Menschen trifft. Dass man durch Reisen merkt, wie unbedeutend es doch eigentlich ist, wenn der Bus 5 Minuten zu spät kommt. Dass er früher immer nur erzählt hat, was ihn alles stört und dass er seit seiner ersten Weltreise auf einmal viel mehr davon spricht, was er liebt....Ich könnte ewig so weiter machen. Auch ohne Weltreise kann ich viele dieser Erkenntnisse unglaublich gut nachvollziehen und könnte Nick knutschen dafür!!!
Es hat mich unglaublich fasziniert und inspiriert. Auch den Gedanken, dass alles im Leben (wenn man es mit der richtigen Einstellung angeht), irgendwann einen Sinn ergibt, auch wenn man ihn nicht immer sofort erkennen kann, teile ich seit langem.

Die ein oder andere Erzählung ist mir natürlich besonders im Gedächtnis geblieben. Zum einen hab ich richtig mitgelitten, als Nick bei seiner ersten Rückkehr nach Deutschland in eine Depression verfallen ist und hab mich so gefreut, als Steffi auf der Bildfläche erschienen ist. Ich kann mir vorstellen, wie enorm wichtig es ist, dass man bei dieser Art zu Reisen einen Partner hat, der die eigenen Wünsche und Erfahrungen teilt und der einen aber auch mal sein eigenes Ding machen lässt.

Und tief beeindruckt hat mich die Geschichte von dem genügsamen Pizzabäcker, der genau ausgerechnet hat, wie viele Pizzen er am Tag verkaufen muss, um seine Kosten zu decken und seine Mitarbeiter zu bezahlen, und sobald er diese Zahl erreicht hat, macht er seinen Laden dicht. Der hat das Leben verstanden, kann ich nur sagen!!!! Scheiß auf ständigen Profit <3.

Am meisten hängenbleiben wird bei mir aber die Message, dass wir aufhören sollen, so viel Angst zu haben. Vor dem Unbekannten, vor neuen Ländern und vor allem vor anderen Menschen. Nicks Buch hat mir gezeigt, dass es so unendlich viele hilfsbereite Menschen auf dieser Erde gibt, die gerne etwas an andere abgeben, auch wenn sie selbst viel weniger besitzen als wir es uns vorstellen können.

Und auch das Schlusswort fand ich so wundervoll. Nicht jeder kann diese Art des Reisens sein Leben lang machen, es würde sicherlich auch nicht jeden glücklich machen und das ist auch okay so. Ich selbst sage ja immer wieder, dass ich mit meinem recht langweiligen Leben sehr zufrieden bin, weil ich ein hohes Sicherheitsdenken habe. Aber jeder sollte in sich reinhören und sich überlegen, was er sich für sein Leben wünscht und das dann auch konsequent umsetzen. Und vielleicht auch doch mal aus der Komfortzone heraustreten, wenn auch nur für kurze Zeit. Danke für diese inspirierende Lesereise, Nick. Ich hoffe, ich werde dich bald mal live erleben!

Bei meiner nächsten Reise werde ich an dich und dein Buch denken und hoffentlich den ein oder anderen Tipp umsetzen können. :) (Auch wenn ich garantiert niemals die Todesstraße runter brettern werde!!! :D)
Ihr seht, ich bin begeistert. Ich bin auch jeden Tag in meinem "langweiligen" Bürojob unterwegs, den ich aber zugegebenermaßen im Gegensatz zum Autor sehr liebe. Mir fehlt daher diese innere Unzufriedenheit, die ihn damals angetrieben hat. Dennoch kann ich diese Sehnsucht, diese Neugierde, diese unbändige Lust, mehr von der Welt zu sehen und zwar abseits von den typischen Touri Orten soooo gut verstehen. Geh einfach mal in die Seitenstraßen von den ausgetretenen Pfaden und du wirst tausendmal mehr entdecken als an jedem Souvenir-Stand.

Titel und Cover: Auch der optische Teil des Buches ist wunderbar. Das Format ist schön groß, es ist toll bebildert und der Text kommt mir sehr authentisch vor. Und - wie eine Kollegin auf Facebook schon angemerkt hat - ist der Anblick des Autors auf dem Cover auch nicht von schlechten Eltern ;) Unangefochtenes Highlight für mich ist aber der Titel. Besser kann man es nicht sagen. Klar, es fragen immer wieder alle, wie er diese "Lücke" denn nach seinen Reisen erklären will, doch für ihn ist es eben schon lange keine Lücke mehr. Mal abgesehen davon, dass ich mir als Arbeitgeber vermutlich die Finger nach so einer Arbeitskraft lecken würde. Auf seinen Reisen hat Nick nämlich in so vielen Bereichen Erfahrungen gesammelt, dass er vieles mit Links hinbekommen würde. Von seiner Motivation mal ganz abgesehen.

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Ja! Und ich werde das ein oder andere Exemplar verschenken!

Mittwoch, 11. September 2019

[Werbung/kostenloses Rezensionsexemplar] Nie wieder Frieden - Clint Lukas

Zusammenfassung: Clint Lukas‘ Erzählungen sind eine Kriegserklärung an die Langweiler, die Heuchler und die Selbstgerechten. Sein Feind ist der Idiot an sich und seine Helden begegnen dem, was ihnen der absurde Alltag so vor die Füße kotzt, mit Ironie, Humor, Mescalin und anderen Drogen – aber vor allem mit Liebe und Leidenschaft. Sein alter ego ist kompromisslos ehrlich. Pointiert erzählt und für den Leser tragisch-komisch scheitert er, verliert sein Herz, lässt sich auf skurrile Kunst-Projekte ein und kämpft gegen den Stumpfsinn einer auf Konsum und Konformität getrimmten Gesellschaft.

Clint Lukas, Wahlberliner, Autor, Regisseur, bringt mit „Nie wieder Frieden“ seinen zweiten Kurzgeschichtenband heraus. Einige der 28 Texte wurden von ihm mit Kugelschreiber illustriert. Zwölf seiner dialogischen Erzählungen sprach der Autor für die beiliegende CD im Studio ein.
Meine Meinung: Normalerweise bin ich ja nicht so ein Freund von Kurzgeschichten. Entweder, ich komme gar nicht richtig rein in die Geschichte, bevor sie vorbei ist und baue gar kein Gefühl für sie auf oder ich ärgere mich, dass die Geschichte nicht länger ist. Hier habe ich das E Book bei Lovelybooks gewonnen und dachte, es kann ja nicht schaden, wenn ich mich mal wieder rantraue. Und es war echt nicht schlecht. Irgendwie schafft es der Autor, in kurzer Zeit die Situation der Geschichte klar zu machen. Sicherlich hilfreich ist es, dass die Hauptfigur eigentlich immer die selbe ist, nur die Situationen sind anders. Vieles scheint auch autobiografisch angehaucht zu sein, denn viele Geschichten spielen beispielsweise an Filmsets.

Aber seid gewarnt, das Buch ist nichts für Spießer. Es geht um Sex, es geht um jede Menge Drogen und politische Korrektheit kann man hier auch lange suchen. Für mich durchaus gewöhnungsbedürftig (hab manchmal echt geschluckt oder den ein oder anderen Satz zweimal gelesen, da ich sicher war, was falsch verstanden zu haben), da ich mich grundsätzlich schon eher in die Richtung Spießer einordnen würde, aber dadurch auch sehr erfrischend.

Alles in allem bin ich aber ziemlich beeindruckt von dem Buch. Es werden ganz viele verschiedene Themen angesprochen und so oft ich auch schmunzeln musste, so oft wurde ich auch wirklich zum Nachdenken gebracht. Die Geschichten über Drogeneskapaden und -trips habe ich eher mit fasziniertem Unverständnis gelesen, anfangen konnte ich damit nicht so wirklich etwas. Auch manche sexuellen Themen fand ich eher seltsam (siehe "Als der Hummerkönig die Stadt besuchte"), aber dafür gab es dreimal so viele für mich tolle Geschichten:

Spiel mir das Lied vom Tod - Eine Geschichte über den Horror, heutzutage einkaufen zu gehen und schöne Konsumkritik
L'Éducation Sentimentale - Es geht um toxische Beziehungen und dass Liebe blind macht
Laichzeit - Erfahrungen vom Filmset. Es gibt immer neue Aufgaben und jeder ändert täglich seine Meinung. Mit jedem neuen Budgetgeber kommt zwar mehr Geld in die Kasse, dafür wird aber die Entfaltungsfreiheit immer mehr eingeschränkt.
Auch in Pompeji gab es Steuereintreiber - Es geht darum, wie leicht man im grauen Alltag untergehen kann. Hier fühlt man sich verstanden.
Der Feind in den eigenen Reihen - Ganz allgemein: schweißtreibene Arbeit, schlechte bzw. gar keine Bezahlung und ignorante Chefs. Vom Thema her ein Dauerbrenner.
Tramadol - Quasi ein witziger Beipackzettel über ein Medikament
Was die Welt im innersten Zusammenhält - Absolute Lieblingsgeschichte. Es geht um die Deutsche Bahn, streng Gläubige und BIER. Beste Story!
Morituri te Salutant - Spielt im Hospiz. Auch ganz grandios! Könnte ein Theaterstück werden.
Oh Himmel, strahlender Azur - Arbeit mit schwer erziehbaren Jugendlichen. Herrlich!

Ihr seht, hier ist für jeden etwas dabei. Viel Gesellschaftskritik. Bei manchem nickt man ganz dolle und voller Zustimmung, bei manchem muss man sich an die eigene Nase packen. Manchmal grinst man einfach nur. Und manchmal ist man so viel offensichtlicher Kraftanstrengung, bloß nicht Mainstream zu sein (denn das ist wohl die krasseste Aussage des Buches) ganz erschöpft. Aber ich fand es toll. Ich glaube, das Buch hole ich mir nochmal so richtig. Zum Anfassen und drin blättern!

Titel und Cover: Es spielen nicht alle Geschichten in Berlin, aber einige, daher passt das schon mal. Die Menschenmenge/Soldaten in der Ecke könnten von einem der Filmsets sein. Genau so gut könnten sie die Armee sein, die gegen das Spießertum kämpft oder auch einfach die alltägliche Armee der Leute, die täglich gegen/für/mit dem Leben kämpfen. Die sich jeden Tag den kleinen und großen Aufgaben des Alltags stellen. Der letzte Gedanke gefällt mir am besten, denn das Buch richtet sich auch ganz klar eher an die kleinen Leute, an die, denen es nicht so gut geht, an die, die mit dem Leben manchmal zu kämpfen haben. Den Titel finde ich klasse. In Nie wieder Frieden kann man auch alles Mögliche reininterpretieren. Nie wieder Frieden für die Spießer, nie wieder Frieden für einen selbst, weil es sowas wie Frieden gar nicht gibt....
Und der Untertitel passt spätestens, wenn man das Buch gelesen hat :D

Würdest du das Buch erneut lesen? Ja. Ich könnte mir vor allem vorstellen, es bei einem Bierchen in der Kneipe mal rauszuholen. Man merkt den Geschichten übrigens auch an, dass der Autor auf Poetry Slams auftrifft. Sicherlich sind sie live vorgetragen nochmal um Längen besser!

Dienstag, 10. September 2019

[Werbung/kostenloses Rezensionsexemplar] Die Einsamkeit der Seevögel - Gøhril Gabrielsen

Zusammenfassung: 
Eine Wissenschaftlerin reist mitten im Winter nach Finnmark, dem äußersten Zipfel Norwegens. Dort möchte sie das Schwinden der Zugvögelpopulationen und die Klimaveränderungen untersuchen. Fern jeder Zivilisation findet sie Freiheit und Luft zum Atmen, nach der sie sich in ihrer gescheiterten Ehe so gesehnt hatte.

Ganz allein, umgeben von endlosem Schnee, tosendem Meer und rauen Naturgewalten, wartet sie auf die Ankunft der Vögel. Und auf ihren Geliebten, der mit ihr die Einsamkeit teilen will. Doch warum verschiebt er seine Ankunft? Woher kommen die seltsamen Geräusche in ihrer Hütte? Und war es der Wind, der ihr über den Körper strich, oder ist sie doch nicht allein?

Als die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Wahn, Gegenwart und Vergangenheit immer mehr verschwimmen, muss sie sich endgültig dem stellen, was sie hinter sich gelassen hat.

Meine Meinung: Mein erster Gewinn bei Lovelybooks. Angemeldet bin ich da zwar schon ewig, aber damals war mir das Ganze irgendwie zu unübersichtlich. Nun hab ich letztens aber doch mal wieder reingeschaut und bin nun voll drin. Tommy schlägt schon die Hände überm Kopf zusammen :D.
Ich war auch sehr in love, als das Päckchen ankam und ich darin nicht nur das Buch sondern ein paar liebevoll gewählte Beigaben enthalten waren. Schön, oder?
Nun aber zum Buch.

Es wird relativ schnell klar, dass es drei verschiedene Ebenen während der Erzählung gibt. Die erste ist logischerweise die Forscherin und ihre Arbeit draußen in der Natur. Dann gibt es die Teile, in denen sie in Rückblenden von sich und ihrer Familie und ihrer Zeit mit Jo erzählt und dann noch die, in der sie sich den Alltag der Familie ausmalt, die vor 140 Jahren dort gelebt hat, wo nun ihre kleine Hütte steht. Von deren Geschichte hat sie bei ihrer Ankunft in einer Broschüre gelesen und die Geschichte der Frau, die damals an dem Ort gelebt hat, an dem sie nun selbst forscht, ähnelt ihrer Situation in vielerlei Hinsicht. Das verleiht dem Roman noch mehr Vielschichtigkeit.

Das Thema ihrer Forschung (die Auswirkungen des Klimawandels auf das Verhalten und die Population der Seevögel) fügt sich außerdem wunderbar in die sehr aktuellen politischen Diskussionen um dieses Thema ein. Dennoch liegt hier bei weitem nicht das Hauptaugenmerk. Viel mehr dient ihre Arbeit ihr als Ablenkung von ihren Sorgen. Dies spiegelt sich auch in der Sprache und der Erzählung wider. Man bemerkt zum Beispiel immer wieder sehr schön den Unterschied, wenn sie zu Beginn eines Kapitels die harten, unumstößlichen Wetterfakten aufzählt und anschließend in emotionale Erinnerungen abdriftet, die sie im Gegensatz zu den Fakten nicht einsortieren kann und auch überhaupt nicht weiß, wie sie damit umgehen soll.

Die klare und messbare Sprache der Phänomene - das ist es, was ich brauche. Eine Sprache, die unerschütterliche Tatsachen schafft, keine stummen, vagen Ahnungen. Einen Wind, der sich in Stundenkilometern messen lässt, kann ich analysieren und bis zu einem gewissen Punkt verstehen, im Gegensatz zu Gefühlen, die sich jeglicher objektiven Messbarkeit entziehen.

Hier sehe ich auch ein schönes stilistisches Zusammenspiel zwischen ihrem aufgewühlten Innenleben und der zwar rauen, dafür aber verlässlichen und einsamen Natur um sie herum.

Es ist keine Geschichte, die man mal eben nebenher wegliest (zumal es teilweise wirklich bedrückend wird, vor allem wenn sie von der Trennung von ihrem Mann erzählt. Manche Situationen sind wirklich beängstigend). Dennoch kann man der Geschichte gut folgen ohne dass man das Gefühl hat, Sätze zwei oder drei Mal lesen zu müssen.

Die Sprache ist zudem einfach wunderbar poetisch und atmosphärisch. Zum Beispiel: "Die Geräusche werden lauter und leiser, sind im Einklang und dann wieder nicht, eine Sinfonie, auf deren Oberfläche sie dahintreibt, bis sie immer schwerer und träger hineinsinkt und schließlich einschlummert."

Oder auf Seite 60 heißt es "Auf der Ebene oder wenn ich über das Plateau fahre, begegnet es mir überall. Das, was ich nicht weiß. Was ich nicht vollkommen begreife. Von Wind und Wetter und Himmel und Meer. Oder von den Seevögeln und ihrer Wanderung in die Kolonien. Ich weiß und weiß auch wieder nicht. Und genauso denke ich über mich und mein Leben." Tolle Bilder, die da im Kopf entstehen und die das Beschriebene viel greifbarer machen für den Leser. Ebenso gut gefallen mir die sehr lebhaften Beschreibungen, wie sie sich den Alltag der Familie vorstellt, die vor 140 Jahren dort gelebt hat. Sehr gefühlvoll und detailreich wird beschrieben, wie sie sich dort eingerichtet und gelebt haben könnten.

Obwohl objektiv gesehen wirklich nicht viel passiert, gelingt es der Autorin wunderbar, die Spannung immer weiter steigen zu lassen. Denn im Inneren der Forscherin spitzt es sich immer mehr zu und der Leser fragt sich zunehmend (und zusammen mit der Protagonistin), was Realität und was Einbildung ist. Es passieren immer mehr Dinge, die ihre Paranoia steigern (Nachrichten von ihrem Ex, ein kleiner Unfall etc.). Dafür vermisst sie ihren Geliebten Jo immer mehr.

Das Ende ist abrupt und unbefriedigend. Aber ich finde es dennoch gut. Geradezu genial. der Leser muss genau so leiden wie die Hauptfigur und gerade deshalb wird das Buch im Gedächtnis haften bleiben. Am Ende passt es auch einfach genau so wunderbar zu der Geschichte. Irgendwo fiel der Vergleich mit Shutter Island und tatsächlich ist das ein ziemlich guter Vergleich. 

Alles in allem ein tolles Gedankenexperiment mit toller Naturbeschreibung und großartigem psychologischen Einfühlungsvermögen. Ich bin begeistert!

Titel und Cover: Das Cover ist wunderschön und zeigt die raue, irgendwie aber auch friedvoll anmutende Natur, in der die Forscherin sich bewegt. Den Titel finde ich ebenfalls gut gewählt. Eigentlich sind es ja nicht die Vögel, die einsam sind, sondern eher die Forscherin. Aber in der Natur vor Ort sind sie dann doch gemeinsam die einzigen Lebewesen.

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Ja. Und am liebsten auch mal, während ich alleine in einer einsamen Hütte Zeit verbringe. Würde bestimmt einen gewissen Kick geben ;) (würde aber sehr gut ohne verrückten Ex-Mann auskommen, danke! ;))

Sonntag, 25. August 2019

[Unbezahlte Werbung wegen Nennung] Pinguine leben nur einmal - Kyra Groh



Zusammenfassung: Felicitas (nur ihre Mutter nennt sie so, ihre Freunde sagen Feli zu ihr) ist kompliziert. Ordnung findet sie überbewertet. Deshalb hat sie auch kein Bücherregal. Und sie schämt sich nicht dafür, dass sie süchtig nach dem Sat1 „Family Movie” am Dienstag ist, der so schön vorhersehbar ist – Happyend garantiert! Denn leider passiert es nicht oft, dass die Dinge so laufen, wie sie das gerne hätte. Lange dachte Feli, dass es Prinzessinnen-und-Prinz-auf-weißem-Ross-Beziehungen nur im Fernsehen gibt – bis sie Janosch vor die Füße fällt … Und so fangen doch die großen Liebesgeschichten an oder etwa nicht?

Meine Meinung: Kennt ihr das, wenn ihr zum Beispiel zum ersten Mal zu einem Konzert von einer Band geht und ihr kennt mindestens eines der Bandmitglieder? Seid ihr dann auch so nervös und hofft, dass ihr den Auftritt wirklich gut finden werdet, einfach schon deswegen weil ihr die Person so mögt und ihr nicht wüsstet, wie ihr es sagen solltet, wenn es euch nicht gefallen hat? So hab ich mich gefühlt, als ich dieses Buch begonnen habe. Dabei kenne ich Kyra nicht mal. Aber ich folge ihr auf Instagram. Und glaubt mir, das fühlt sich manchmal schon fast an wie kennen ;) Zumindest nimmt man am täglichen Leben dieser Person teil, auch wenn es immer nur ein minimaler Ausschnitt ist. Das ist das faszinierende an dem ganzen Social Media Kram. Dir wachsen Leute ans Herz, die noch nie in ihrem Leben deinen Namen gehört haben (aber irgendwie ist es ja auch schön, gell?). Man ahnt aber auf jeden Fall nach und nach, wie es um den Humor der Person bestellt ist, wie ihre Ansichten zu bestimmten Themen sind, welchen Musik- und Büchergeschmack die Person hat. Und dann findet man den oder diejenige entweder besonders sympathisch oder eher weniger und entfolgt ihr wieder.
Bei Kyra war es Liebe auf den ersten Blick. Ich glaube, es gibt niemanden auf Instagram, der mir so oft aus der Seele spricht wie sie. Und dabei so viel Einfühlungsvermögen und Humor gleichzeitig hat.
Und genau deswegen hatte ich richtig Angst, dass mir ihr Buch nicht gefällt.

ABER: Dem war nicht so. Überhaupt gar nicht. Ich hab es geliebt und verschlungen. Die Charaktere sind alle ganz wunderbar, allen voran natürlich Feli. Aber auch Cem und Janosch, Pia und Lene sind mir so sehr ans Herz gewachsen.
Der Roman ist eine gelungene Mischung aus ernsten Momenten und vielen vielen Stellen, an denen ich wirklich giggelnd in der Bahn/auf dem Sofa saß/im Bett lag. Sie hat so ein Händchen dafür, Gedanken in Worte zu fassen, die mir selbst oft durch den Kopf gehen.

"Ich meinte die Sache am Samstag. Das war ziemlich doof."
"Ja, das war es,"
Na vielen Dank. Offenbar hat er die Regeln dieses Spiels nicht verstanden. Wenn ich sage, dass das ziemlich doof war, erwarte ich gefälligst von meinem Gesprächspartner, dass er abwinkend Quaaaatsch, du, kein Ding! sagt.

Oder auch:

Während Simon Bier holt, gehe ich rüber zu den beiden. Sie reden lauter Weißt-du-noch-damals-Sachen. Ich hasse Weißt-du-noch-damals-Gespräche, die ein Damals behandeln, bei dem ich nicht anwesend war.

Richtig gut fand ich, dass das Thema Behinderung und der "richtige" Umgang damit so ein großes Thema ist. Ich selbst merke auch immer wieder, wie unsicher ich im Umgang mit behinderten Menschen bin, weil ich so große Angst habe, etwas falsch zu machen und jemandem auf den Schlips zu treten.
Wobei das Buch zum einen zeigt, dass es hier kein Richtig und kein Falsch gibt, weil das jede Person anders empfindet. Zum anderen macht es auch deutlich, dass es zwar wichtig ist, einfach man selbst zu sein, aber dass Beziehungen eben auch immer Kompromisse sind. Wenn jeder ein paar Schritte auf den anderen zugeht und eben auch mal seinen eigenen Kosmos verlässt, kann daraus etwas ganz wunderbares Neues entstehen.
Und genau wegen diesem Thema war das Buch für mich auch nicht nur irgendeine recht plumpe Liebesgeschichte, sondern eher eine erfrischende, lustige Komödie mit ernsten Einspielern.

Nette Dinge am Rande waren für mich außerdem der Prolog des Buches, in dem Feli erklärt, nach welchem Schema SAT1 Liebesfilme ablaufen und weshalb sie die so gerne schaut, in Kombination mit dem Aufbau des Buches, das dann letztendlich natürlich ähnlich abläuft ;). Hat mich auch zum Schmunzeln gebracht.
Ebenfalls witzig fand ich die Aufzählung der Personen in der Reihenfolge ihres Auftritts am Anfang jedes Abschnitts (schön wie im Drehbuch oder beim Theater) und die Erwähnung aller anderen Personen, die irgendwie vorkommen oder erwähnt werden (z.B. Matthew McConaughey, Rufus Beck, Harry Potter, etc.). Das steigert irgendwie die Vorfreude auf die nächsten Seiten, weil man rätselt, in welchem Zusammenhang diese Namen vorkommen. Und dass Harry Potter in diesem Buch besonders viel Erwähnung findet, hat nur noch einen weiteren Grund auf die "Warum ich das Buch echt mag"-Liste gesetzt.

Ich knipse das Licht an und fische aus einem der Bücher [...] mein Einschlafmittel: ein Hörbuch. Nicht irgendein Hörbuch. Es hilft nicht jedes, es hilft nur Harry Potter. Wenn Rufus Becks Stimme weich durch meine Gehörgänge säuselt und ich ganze Passagen in Gedanken auswendig mitsprechen kann, kommt der Schlaf von selbst. Zwischen meinem zehnten und dreizehnten Lebensjahr konnte ich ohne diesen Mann überhaupt nicht einschlafen. Ich bin ein ziemlicher Harry Potter Freak. Aber das macht nichts, denn ich stehe dazu.

Da ich selbst noch heute manchmal nur mit Rufus Beck und Harry im Ohr einschlafen kann, fühle ich mich hier auf wunderbar nerdige Art verbunden. <3

Titel und Cover: Den Titel finde ich super. Er macht irgendwie hellhörig und diese Tatsache - also dass Pinguine nur einmal lieben - findet auch eine super schöne Erwähnung im Buch. Das gepaart mit dem aufälligen Cover, das sich auch wieder herrlich an die Story anfügt, ergibt ein rundum gelungenes Gesamtpaket, das ich jedem ans Herz legen kann!

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Oh ja! Aber erst mal empfehle ich es ganz vielen Menschen. Und lese die anderen Bücher von Kyra Groh. :)

Donnerstag, 22. August 2019

[Unbezahlte Werbung wegen Nennung] Silent Victim - Caroline Mitchell

Zusammenfassung: 
Manches ist schlimmer als Mord.
Emma ist eine liebende Ehefrau – und eine Mörderin. Vor Jahren hat sie ihren Lehrer, der sie als Teenager verführte, erschlagen und auf dem Grundstück ihres Elternhauses vergraben – so glaubt sie zumindest. Als ihr Ehemann Alex eine neue Stelle annimmt, muss Emma ihr Elternhaus verkaufen. Zuvor will sie die Leiche verschwinden lassen. Doch das vermeintliche Grab ist leer. In ihrer Not offenbart sie sich ihrem Ehemann und löst damit etwas aus, das ihre Familie zu zerstören droht.

Meine Meinung: Voilà! Da ist es, das erste Buch unseres Lesekreises. Falls ich es hier noch nicht erzählt habe (wann auch, ich erzähle hier ja sonst grade auch nicht viel. Aber bald kommt auf jeden Fall der Bericht über unseren Mallorca-Urlaub!! :D): Barbara hat mich letztens mal angeschrieben und meinte, sie würde schon ewig mit dem Gedanken spielen, einen Buchclub/Lesekreis zu gründen. Weil sie so oft nach dem Lesen eines Buches das Bedürfnis hat, noch über den Inhalt sprechen zu wollen. Und so geht es mir auch sehr oft. Nur hat man dann ja selten jemanden an der Hand, der auch frisch das selbe Buch ausgelesen hat. Daher war ich natürlich sofort Feuer und Flamme und habe mir sogar schon ein Buch zum Thema Lesekreise bestellt (zu meiner Verteidigung: das stand sowieso schon auf der Wunschliste und passte thematisch halt grade). Babs hat dann noch Sascha ins Boot geholt, ihre Schwägerin und eine Freundin und wir haben uns auf sie als erste Gastgeberin geeinigt. Danach geht es reihum. Der jeweilige Gastgeber lädt die Mitleser zu sich ein, es gibt eine Kleinigkeit zu essen und anschließend wird über das Buch diskutiert. Derjenige, der als nächstes Gastgeber ist, bringt an dem Abend auch schon das nächste Buch mit und wir stimmen einen Termin ab. Turnus ist ca. alle 6 Wochen.

So viel zur Vorgeschichte und zur Idee. Nun mal zum Buch. Ich werde bei Büchern, die ich im Lesekreis lese, immer erst meine eigene Meinung kundtun und anschließend berichten, was meine Mitleser so für Eindrücke hatten. Das erste Treffen war auf jeden Fall spannend und schon lehrreich. Bin super gespannt, wie es weiter geht.

Zu Beginn hatte ich den Eindruck, dass die Geschichte ziemlich vorhersehbar ist. Das hat der Spannung keinen Abbruch getan, ich war mir nur sicher, dass alle Rollen schon klar verteilt sind. Luke ist der Böse, Emma ist das Opfer, Alex der arme Ehemann, der zwischen den Stühlen steht.
Durch die unterschiedlichen Erzählstränge (sowohl Emma, als auch Alex und Luke kommen immer abwechselnd zu Wort, Emma und Luke sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit) bleibt es dennoch immer spannend und die Geschichte setzt sich nach und nach zu einem Bild zusammen.

Doch ab der Mitte des Buches wurde ich unsicher. Die Autorin hat mich immer mal wieder auf die ein oder andere kleine falsche Fährte geschickt, sodass ich zwischendurch alle verdächtigt habe. Vor allem dass Emmas Erinnerungsvermögen nicht mehr das Beste zu sein schien, hat mich teilweise stark verunsichert. Denkt sie sich das alles nur aus, weil sie in Luke verliebt war und zurückgewiesen wurde? Haben ihr Mitarbeiter oder ihre Schwester was damit zu tun? Und was ist damals mit Emmas Mutter passiert?
Das hat mir gut gefallen.

Ebenfalls super interessant war die Frage, die das Buch immer wieder aufgeworfen hat: Was tust du, wenn dein Ehepartner dir einen Mord gesteht? Verlässt du denjenigen sofort? Oder kommt es auf die Umstände an? Und was tust du, wenn dein Ehepartner psychisch instabil ist? Wie lange kannst du vertrauen? Man kann den Fragen als Leser nicht ausweichen und Alex tat mir teilweise wirklich richtig leid, weil er so zwischen Liebe und Misstrauen gefangen war. Ich denke, mir würde es sehr ähnlich gehen wie ihm.

Ein interessantes Fazit für mich am Ende war, dass mir weder Emma noch Luke sympathisch waren. Beide gingen mir stellenweise unglaublich auf die Nerven. Wobei Luke als Figur aber sehr authentisch war, ich mir bei der ein oder anderen Entscheidung von Emma allerdings wirklich an den Kopf gepackt habe und mir dachte "Das würde doch nun wirklich keine Frau machen!".
Ich habe mich aber durchweg gut unterhalten gefühlt und mag es wie schon oft gesagt sehr, wenn ein Buch mich vor moralische Fragen stellt.

Meinungen des Lesekreises: Die Mädels waren ziemlich sicher der Meinung, dass sie das als Ehepartner nicht mitmachen würden (schon gar nicht mehr ab einem bestimmten Punkt im Buch). Ich hingegen kenne mich ja sehr gut und glaube schon, dass ich für sehr vieles Verständnis aufbringen würde ( ab DEM Punkt wäre bei mir aber auch Schluss...:D Sorry, aber ich will nicht spoilern). Sascha fand das Buch zu vorhersehbar (was sicher auch stimmt, aber ich gehe Autoren halt schnell auf den Leim) und auch oft zu unlogisch. Es gibt die ein oder andere Stelle im Buch, die ihm nicht gut genug zuende erzählt wurde. Das konnte ich im Nachhinein nachvollziehen, ist mir beim Lesen aber nicht wirklich aufgefallen.
Wir waren uns alle aber einig, dass das Buch ein sehr wichtiges, empfindliches Thema aufgreift und dass Luke als Charakter super getroffen ist. Seine Gedankengänge werden so gut beschrieben, dass man sich als Leser wirklich oft unwohl fühlt. Die Autorin hat selbst viel mit missbrauchten Jugendlichen gearbeitet und hat hier einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen.

Titel und Cover: Das Cover hat uns optisch gut gefallen (wir haben überlegt, ob es die Lampe im Standhaus zeigen soll), war uns aber im Bezug auf die Geschichte zumindest nicht ganz einleuchtend. Der Titel war dafür um so besser, weil er auf mehreren Ebenen zu der Story passt. Zum einen gibt es sicher viele Opfer, die sich gar nicht trauen, zu sprechen. Und zum anderen gibt es Opfer wie Emma, die irgendwann drüber sprechen wollen, denen aber niemand glaubt. Der Gesamteindruck war also sehr passend.

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Ja.


Dienstag, 20. August 2019

[Unbezahlte Werbung wegen Nennung] Flugangst 7A - Sebastian Fitzek

Zusammenfassung:
Mats Krüger, ein erfahrener und erfolgreicher Psychiater, muss seine panische Flugangst überwinden, als seine hochschwangere Tochter Nele nach jahrelanger Funkstille wieder Kontakt zu ihm aufnimmt. Mats, der nach dem Tod seiner Frau per Schiff nach Argentinien ausgewandert ist, hatte nie wieder vor zurückzukehren. Doch jetzt bittet Nele ihren Vater kurzfristig, ihr nach der Geburt des Babys Beistand zu leisten.Nach der Teilnahme an einem Flugangst-Seminar geht Mats an Bord des Langstreckenflugs Buenos Aires - Berlin. Schon kurz nachdem er seinen Platz eingenommen hat, muss er feststellen, dass er sich auf die falschen Ängste vorbereitet hat: Es ist keine Turbulenz, kein Druckabfall und keine Terrorwarnung, die ihn in einen entsetzlichen seelischen Ausnahmezustand treiben.
Sondern der Anruf eines Unbekannten, der ihm eröffnet, dass sich ein ehemaliger Patient an Bord befindet. Jemand, den Krüger einst von mörderischen Gewaltphantasien befreite. Und den er nun dazu bringen soll, über 600 Passagiere und sich selbst in den Tod zu reißen …

Meine Meinung: Hab ich schon erzählt, dass in meiner Firma schon seit einiger Zeit ein Bücherschrank steht? Find ich ganz grandios, wie ihr euch sicher denken könnt. Daraus habe ich das Buch hier auch mitgenommen. Fitzek geht ja immer.
Direkt zu Beginn hat mir wieder mal gut gefallen, wie viel Herr Fitzek recherchiert. So erfährt man als Leser einiges über die Sicherheit beim Fliegen und auch über verschiedene Statistiken und Berechnungen, wo man am sichersten (oder eben auch unsichersten) sitzt. Ich finde sowas immer wieder toll als "Beigabe". Und natürlich fügt es sich hier auch herrlich in die Geschichte selbst ein.

Auch dieses Buch ist wieder von Seite 1 an spannend. In jedem Kapitel gibt es eine neue Wendung, einen neuen Verdächtigen oder zumindest eine Zuspitzung der Situation. Dabei schafft Fitzek es auch immer wieder, dass man sich als Leser die Situation der Charaktere kaum vorstellen mag, weil sie einfach so schrecklich ist.

Es ist also definitiv wieder ein gewohnt guter Pageturner, wie wir es vom bekanntesten deutschen Thriller Autor auch nicht anders gewohnt sind. Und ebenfalls kenne und liebe ich Sebastian Fitzek für seine Nachworte. Ich wiederhole mich, aber es gibt wenig Autoren, die mit so viel Witz, Selbstironie und Liebe ihre Nachworte schreiben. Das finde ich großartig und zeugt von ganz viel Menschlichkeit.

Mein einziger Kritikpunkt ist der, den ich damals schon bei Das Paket von ihm hatte. Es ist mir einfach schon fast etwas zu viel Story im Buch. Es passiert zu viel. Weniger ist manchmal mehr. Auch hier werden so viele Themen aufgegriffen (Eifersucht, Mobbing, Belastungsstörung, HIV, durchgeknallte Tierschützer, dubiose Erfindungen, Flugangst, etc). Ich fühle mich immer ein bisschen überfahren und überfordert nach dem Lesen und denke manchmal ganz still und leise "Weniger wäre vielleicht manchmal wirklich mehr.".

Aber wisst ihr was? Ich will gar nicht meckern. Unterhaltung bietet mir Fitzek auf jeden Fall nach wie vor und ich werde vermutlich auch seine nächsten Bücher gerne lesen :)

Titel und Cover: Beides für mich sehr gelungen. Das Cover dürfte jedem, der schon mal geflogen ist, durchaus bekannt sein, aber durch die Verdunklung und den Regen bekommt es etwas zusätzlich dramatisches. Und "Flugangst" passt selbsterklärend ebenso wunderbar. Die "7A" erschließt sich dann beim Lesen. Passt!

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Wenn ich mal wieder schnelle, abwechslungsreiche Spannung brauche, auf jeden Fall!

Dienstag, 13. August 2019

(Unbezahlte Werbung wegen Nennung) Der Postbote von Girifalco - Domenico Dara



Zusammenfassung: Süditalien 1969. Im verschlafenen Girifalco geht alles seinen gewohnten Gang – die anstehenden Kommunalwahlen sind schon das Aufregendste, was auf absehbare Zeit zu erwarten ist. Doch im Geheimen zieht ein guter Geist die Fäden, ohne dass die anderen Dorfbewohner es ahnen: Denn der Postbote des Ortes ist ein melancholischer Einzelgänger, der die Philosophie liebt und Zufälle sammelt – und nebenbei heimlich in den Briefverkehr des Dorfes eingreift. So versucht er, den Dingen die richtige Richtung zu geben.
Unglücklich Liebende werden zusammengeführt, politische und amouröse Betrugsversuche verhindert, und Mütter bekommen plötzlich Post von ihren in der Ferne verschollen geglaubten Söhnen. Der Postbote von Girifalco scheint sich in seinem zurückgezogenen Dasein eingerichtet zu haben – bis ein mysteriöser Brief aus der Vergangenheit auftaucht, der das Dorfleben im Allgemeinen und seines im Besonderen gehörig ins Wanken bringt. Ein charmanter, lustiger, rührender Roman mit einem zu Herzen gehenden Protagonisten, der uns mitnimmt auf eine nostalgische Italienreise.

Meine Meinung: Mein letzter Vorablesengewinn, den ich noch zu rezensieren hatte. Ist auch schon Monate überfällig. Danach war irgendwie erst der Mallorca Urlaub, dann war wie immer viel los im Alltagsleben und im Urlaub und während Hitzewellen krieg ich ja eh blogtechnisch bzw. rezensionstechnisch eh nichts gebacken. Nun soll das Buch aber auch seine Beurteilung bekommen.

Die Idee der Geschichte finde ich herzallerliebst. Ein Postbote, der Briefe, Poesie, Lyrik und vor allem Zufälle sammelt. Der eingreift, wenn er der Meinung ist, Dinge zum Guten wenden zu können. Ein kleines, verschlafenes italienisches Dörfchen, in dem jeder seine kleinen Geheimnisse hat. In meinem Kopf hatte ich eine genaue Vorstellung der Geschichte und der Art, wie das Buch verläuft.

Leider konnte die Realität da nicht ganz mithalten, was auch ein Grund ist, weshalb ich so lange gebraucht habe, um es zu beenden. Irgendwie fehlte mir der rote Faden bzw. eine Art Entwicklung und Spannungsbogen. Natürlich ist schon vom Klappentext klar, dass es mehrere kleine Geschichten geben würde, aber dennoch hatte ich auf eine Art Rahmenhandlung gehofft.
Außerdem bin ich tatsächlich ständig mit den Namen durcheinander gekommen, was nicht nur an der großen Menge an Charakteren liegt, sondern auch daran, dass für mich die Namen häufig sehr lang und kompliziert schienen. z.B. der Nachname Castagnara-Passalacqua. Wenn es dann nur so Namen gibt, die ständig genannt werden, dann wird es anstrengend. Da kann der Autor natürlich nichts für (und es soll natürlich auch nicht jeder italienische Charakter Giovanni heißen ;)), aber es war für den Lesefluss einfach schlecht.

Es war kein kompletter Reinfall, im Gegenteil. Es gab viele kleine Passagen, die mir unheimlich gut gefallen haben (z.B. die Geschichte mit dem Esel oder die, in der der Postbote sich einen Stempel nachmachen lässt) und bei denen ich während des Lesens richtig schöne Bilder von dem kleinen Örtchen Girifalco im Kopf hatte. Besonders gut gefallen haben mir die kleinen Zufälle, die der Postbote gesammelt und aufgeschrieben hat. Ich denke, jeder kennt diese Momente im Leben, in denen man sich über die seltsamsten Zufälle wundert und der Postbote interessiert sich so sehr dafür, dass er solche Momente katalogisiert. 

Alles in allem war das Buch für mich aber leider einfach zu durcheinander geschrieben und ich hatte zu viel Mühe, der Erzählung zu folgen und all die Menschen zuzuordnen. Schade!

Titel und Cover: Der Titel ist naheliegend, aber auch sehr passend und auch das Cover dazu mag ich. Es passt zu den Bildern, die ich von diesen typischen kleinen Ortschaften in Italien habe und macht Lust auf Urlaub und die passende Lektüre dazu. 

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Nein, leider nicht.

Dienstag, 11. Juni 2019

(Unbezahlte Werbung wegen Nennung) Eine eigene Zukunft - María Dueñas

Zusammenfassung: 1936 holt der Vater die drei Töchter nach, aus der andalusischen Provinz mitten hinein in die Hauptstadt der Welt: New York. Hier sollen sie im Restaurant helfen. Doch als der Vater stirbt und das Geld kaum zum Überleben reicht, wissen sich Victoria, Mona und Luz nicht anders zu helfen: Sie verwandeln das väterliche Lokal in ihren eigenen Nachtklub ... María Dueñas hat einen ergreifenden Schwesternroman geschrieben. Ein Buch über drei starke Frauen, die sich einen Platz in der Fremde erkämpfen, über Familienbande und den Glanz der ersten großen Gefühle.

Meine Meinung: Heute mal ein Bild aus dem Internet, weil ich noch 15 Minuten auf meine Bahn ins Fitnessstudio warten muss, Zeit zum Bloggen habe, aber kein Bild zur Hand :D Über diesen Gewinn habe ich mich seeehr gefreut, weil ich vor einiger Zeit schon Wenn ich jetzt nicht gehe von dieser Autorin gelesen habe und mir das Buch damals sehr gefallen hat. Die Geschichte ist dieses Mal eine ganz andere, aber der Kern ähnelt durchaus seinem Vorgänger. Es geht um eine Familie, die sich nach einem Schicksalsschlag neu zurechtfinden muss. Ein neues Land, eine neue Sprache und keine Ahnung, wie man auf einmal genug Geld verdienen soll.

Ich gebe zu, ich habe mich zu Beginn etwas schwer getan, habe immer erst mal was anderes gelesen. Es waren sehr viele Figuren am Anfang und irgendwie habe ich erst keinen Zugang gefunden. Aber nach einem schweren Start ging es erstaunlich gut und auf einmal war ich mitten drin im Leben der Arenas-Schwestern. Habe mit ihnen gehofft, im Geiste geprobt und geputzt und mich verliebt. In Toni, in Chano. María Dueñas hat nämlich ein Händchen für bodenständige, nahbare Charaktere, deren Handlung man fast immer nachvollziehen kann. Sie erzählt von Träumen, die unerfüllt bleiben, aber auch von neuen Ideen, die Hoffnung geben. Sie erzählt vom Verlorensein in einer fremden Umgebung und auch vom Verlorensein in der eigenen Familie, weil jeder andere Erwartungen hat. Aber letztendlich geht es immer um den Zusammenhalt, der ist da, wenn es darauf ankommt. Eine schöne, beruhigende Botschaft!

Ebenfalls gut gelingt es ihr, die Stimmung in diesem brodelnden Kessel namens New York, speziell in den von Einwanderern bewohnten Vierteln, einzufangen. Diese lebendige, aufstrebende, pulsierende Stadt, die die Familie in den Bann zieht und gleichzeitig zu verschlucken, zu überrollen droht. Man spürt die Überforderung, die diese Fülle an Eindrücke bei den Schwestern und der Mutter auslöst. Am besten gefallen hat mir der Zusammenhalt unter den Einwanderern. Sie helfen Neuankömmlingen, passen aufeinander auf und stehen sich bei, wenn jemanden ein Unglück ereilt.
Mit so einer Rückendeckung und ein bisschen spanischem Temperament und Willensstärke schafft man so einiges. ;)

Sie erhielten unerwartet Unterstützung. Die Ersten waren die zwei Cousinen aus Córdoba, die oben im Haus wohnten; sie hörten die Mädchen hantieren und erschienen mit Lappen und Bürsten. Je mehr Müll und kaputte Möbel sie auf die Straße räumten, desto mehr Nachbarn kamen, um auch mit Hand anzulegen. Bald waren es acht oder neun Frauen, später ein Dutzend, schließlich an die zwanzig, und mit einem Mal war das Las Hijas des Capitán zu einem dieser kleinen Wunder der Solidarität geworden, wie sie unter Einwanderern immer wieder geschehen. So waren sie. Im Glück und im Unglück, in Freud und Leid, letzten Endes saßen sie alle auf demselben Floß und trieben bei Wind und Wetter durch die unendlichen Weiten New Yorks. 

Ein wunderbares Buch über den Mut, neue Wege zu gehen und die Tatsache, dass es am wichtigsten ist, an sich selbst zu glauben!

Titel und Cover: Der Titel passt sehr schön. Schlicht fügt er sich der Geschichte an, denn die Schwestern bauen sich in der Tat eine eigene Zukunft auf. Stück für Stück, Stein für Stein, Meter für Meter. Und auch das Cover gefällt mir, ich sehe eine der Arenas-Schwestern, gekleidet passend zur damaligen Zeit. Auch wenn es vielleicht schöner gewesen wäre, wenn drei junge Frauen darauf abgebildet gewesen wären.

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Ja.

Donnerstag, 6. Juni 2019

Werbung (wegen Nennung/unbezahlt) Höllenjazz - Ray Celestin

Zusammenfassung: New Orleans, 1919: Der mysteriöse »Axeman-Mörder« versetzt die Stadt in Angst und Schrecken. Seine Waffe ist eine Axt, sein Markenzeichen Tarotkarten, die er bei seinen Opfern hinterlässt. Detective Michael Talbot ist mit dem Fall betraut und verzweifelt an der Wendigkeit des Killers. Der ehemalige Polizist Luca D'Andrea sucht ebenfalls nach dem Axeman – im Auftrag der Mafia. Und Ida, die Sekretärin der Pinkerton Detektivagentur, stolpert zufällig über einen Hinweis, der sie und ihren besten Freund Louis Armstrong mitten in den Fall hineinzieht. Als Michael, Luca, Ida und Louis der Identität des Axeman immer näherkommen, fordert der Killer die Bewohner von New Orleans heraus: Spielt Jazz – sonst komme ich, um euch zu holen.

Ray Celestin ist ein brillanter Debütroman gelungen, der sich in einer Mischung aus Fakten und Fiktion um eine der spannendsten und geheimnisvollsten Mordfälle der nordamerikanischen Geschichte rankt.


Meine Meinung: Dieses Schätzchen hat Viola mir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt und ungefähr so lange ist es auch schon her, dass ich das Buch gelesen habe. Da es aber zu einem meiner Lesehighlights 2018 zählt, darf es auf keinen Fall in Vergessenheit geraten und muss unbedingt auf den Blog.

Das Buch hat mich nämlich aus mehreren Gründen begeistert. Zum einen wird in 4 Erzählsträngen berichtet. Michael ist ein engagierter Detective, der zusammen mit seinem jungen Gehilfen Kerry versucht, den Axeman zu stoppen. Er ist der Einzige, der offiziell in der Sache ermittelt. Luca war früher Michaels Kollege, bevor dieser Lucas korruptes Verhalten öffentlich gemacht hat. Obwohl die beiden mal viel verbunden hat, sind sie dadurch zu Kontrahenten geworden. Luca soll für die Mafia ermitteln, wer der Täter ist.
Und dann sind da noch Ida und ihr Freund Louis. Sie ermitteln quasi privat, beide aus unterschiedlichen Motivationen heraus. Eine solche Erzählweise macht das Lesen für mich nahezu immer spannender, kurzweiliger und verleiht der Geschichte außerdem mehr Tiefe, weil man so viele verschiedene Perspektiven aufgezeigt bekommt.
Mit Louis Armstrong kommt neben dem Axeman außerdem ein zweiter Charakter ins Spiel, der keine reine Fiktion ist, auch wenn der echte Armstrong mit dem Axeman Fall vermutlich höchst wenig zu tun gehabt hat. Er passt aber perfekt in das Setting von New Orleans um 1918 herum. Und ich liebe es, wenn ich etwas lese, was nicht rein fiktiv ist. Fakt ist, der Axeman hat in den Jahren 1918 und 1919 sechs Menschen getötet und es gab viele Verdächtigungen aber er wurde in der Realität nie gefasst. Die beiden Briefe, die im Buch abgedruckt sind, sind Originalabschriften der damaligen Axeman Briefe. Solche Sachen verleihen einem Roman doch gleich nochmal etwas mehr "Würze" ;).

Neben einer wirklich spannenden Geschichte mit authentischen Charakteren gelingt es Celestin auch auf einzigartige Weise, die Atmosphäre des damaligen New Orleans einzufangen. Ich war sofort in den Bann gezogen von dieser durch und durch musikalischen, lebhaften Stadt, die auf trockengelegtem Sumpfgebiet gebaut ist und in der so viele Kulturen teils friedlich, teils sehr abergläubisch und misstrauisch zusammengelebt haben. Ich möchte auf jeden Fall unbedingt mal in diese Stadt!

Der alte Mann begegnete ihrem eindringlichen Blick mit großen, trüben Augen und nach einigen langen Sekunden windumtoster Stille nickte er, hob die Hand an die Brust und drehte seine Schärpe um, sodass sie ihre Festtagsseite zeigte, knallbunte Farben, ein afrikanisches Karomuster in Rot, Gold und Grün, das durch den Nebel leuchtete. Fast im selben Augenblick verwandelte sich die Beerdigungsgesellschaft, als hätte ein Geist die Kontrolle über die Menschenmenge übernommen. Die Clubmitglieder drehten ihre Mietgliedsabzeichen um, die Bandmitglieder taten dasselbe mit ihren Jacken, hier und da war ein Lächeln zu sehen, der Mashal blies seine Pfeife, und ehe sich's jemand versah, spielten die Bands Tanzmusik - ein derbes, lautes, ironisches Stück: Oh Didn't He Ramble. Die Bläser schmetterten, die Secondliner tanzten zwischen den Gräbern, und die Clubmitglieder öffneten Bourbonflaschen und brachten einen Toast auf den Verstorbenen aus. Eine Karnevalsatmosphäre erfasste die Parade und trug sie mit sich, als sie sich über den Friedhof zurück auf die Straße schlängelte, wo sich noch mehr Menschen dem Spaß anschlossen und sich eine stetig wachsende Menge von Feiernden aufmachte zum Leichenschmaus.
Zu der Zeit, in der die Geschichte spielt, war Jazz grade ganz groß im kommen. Nicht umsonst spielt Louis Armstrong mit ;). Und neben ganz tollen Jazz-Tipps, die das Buch mir geliefert hat, hat es dafür gesorgt, dass ich beim Lesen ständig das Gefühl hatte, überall leise Jazz zu hören.

Kerry hatte gelernt, dass in New Orleans alles von Musik begleitet wurde, von Demonstrationen über Beerdigungsprozessionen und Werbewagen bis hin zum Verkauf von Waren an der Straßenecke. Es war, als wären die Bewohner nur glücklich, wenn sie ein Lied auf den Lippen hatten.

Irgendwann habe ich mir dann bei Youtube diese Zusammenstellung angemacht und sie hat so toll zum Lesen gepasst <3 Und auch unbedingt hören müsst ihr den Axeman Jazz, logischerweise quasi der inoffizielle Titelsong, der zu der damaligen Zeit entstand. Man muss sich das mal vorstellen. Ein Serienmörder teilt der Öffentlichkeit mit, wann er wieder zuschlagen wird und dass er niemanden töten wird, der zu der Zeit Jazz hört. Na spätestens dann würde ich auch mit Jazz liebäugeln ;)

Alles in allem sind viele Sachen einfach toll recherchiert. Oft sind es Beiläufigkeiten, die eine Erzählung so glaubwürdig und lebendig werden lassen. Mal ist es die Erwähnung von Bildern von zur damaligen Zeit berühmten Pin Up Girls, mal die Bestellung des in New Orleans berühmten Absinthe House Frappé hinter vorgehaltener Hand, weil er zur Zeiten der Prohibition natürlich verboten war.
Der Geschichte schwingt zudem immer ein subtiles Gefühl mit, dass jeden Moment etwas Gruseliges, Übernatürliches passieren wird.

Das alles zusammen hat mich wunderbar unterhalten! Zu guter Letzt hat mir auch die Auflösung des Falles sehr gut gefallen. Es erschien mir passend. Das Buch hat mich rundum zufrieden zurück gelassen und ist auch mal was anderes, als der typische Krimi oder Thriller.

Titel und Cover: Sind genau so großartig wie die Geschichte selbst. Das Cover erinnert entfernt an eine Tarotkarte, welche im Buch auch eine große Rolle spielt. Und der Titel erklärt sich von selbst und passt perfekt! Jazz ist an sich etwas Tolles, wurde zur Zeit des Axeman aber natürlich teilweise von unguten Gefühlen begleitet.

Würdest du dieses Buch erneut lesen?
Jederzeit!

Montag, 3. Juni 2019

(Unbezahlte Werbung wegen Nennung) Das Versprechen der Island Schwestern - Karin Baldvinsson

Zusammenfassung: 2017: Pia macht sich mit ihrer Großmutter auf die Reise nach Island zum 90sten Geburtstag von Omas Schwester. Seit Jahrzehnten haben die Schwestern nicht miteinander gesprochen. Zwischen ihnen steht ein unausgesprochenes Geheimnis ...

1949: Die Schwestern Margarete und Helga machen sich aus dem kriegszerstörten Deutschland auf den Weg nach Island, um dort ein Jahr lang auf einem Bauernhof zu arbeiten. Sie wollen sich auf der rauen, ursprünglichen Insel ein neues Leben aufbauen. Während Margarete sich in den Isländer Théo verliebt, zehrt das Heimweh an Helga. Ist das Glück der einen Schwester das Unglück der anderen?

Meine Meinung: Island ist ja eines dieser Länder, das ich unbedingt noch bereisen möchte! Warum erklärt sich eigentlich von selbst. Jólabókaflóð, die Landschaft, die kühle Luft, die Tatsache, dass die Isländer an Trolle, Feen und Elfen glauben, und und und. Als ich dann das Buch erspäht habe, wusste ich, dass ich es lesen muss. Zum Glück konnte mich auch die Leseprobe so begeistern, wie das allgemeine Thema ;). Die Geschichte teilt sich in zwei Erzählstränge, wie auch schon die Zusammenfassung zeigt. Die eine Geschichte erzählt von den Schwestern Margarete und Helga, die nach dem 2. Weltkrieg aus Deutschland nach Island flüchten, um dem tristen Nachkriegselend zu entkommen. Margarete ist voller Hoffnung und Vorfreude auf diese neue Chance während Helga ihren gefallenen Verlobten vermisst, Trübsal bläst und sich für nichts begeistern lässt.
Der zweite Erzählstrang spielt in der heutigen Zeit und Margarete ist mittlerweile schon Jahrzehnte wieder zurück in Deutschland, hat Tochter und Enkeltochter und zu ihrer Schwester Helga seit Ewigkeiten keinen Kontakt mehr. Warum, das hat ihre Tochter Pia noch nicht herausgefunden. Die hat aber auch so viele eigene Sorgen mit ihrer pubertierenden Tochter und ihrem Ex-Mann, dass sie keine großen Fragen stellt, als ihre Mutter sie bittet, mit nach Island zu fahren um Helga zu besuchen. Hauptsache weg.

Und dann zieht Island nicht nur Pia in seinen Bann.

"Ich finde, Island ist ganz anders, als ich es erwartet hätte. Es steckt voller Gegensätze. Unberührt und voller Schafe und Pferde, windig und sanft, felsengrau und meeresblau, karg und voller saftiger Wiesen, eisig kalt und ... nun ja, immer noch frisch, aber immerhin. Und das ist einfach überwältigend."

Das Buch gibt neben den beiden Erzählsträngen um Helga und Margarete einen wunderschönen ersten Island-Eindruck, den ich schon alleine deshalb für sehr authentisch halte, da die Autorin sich selbst in einen Isländer verguckt hat und ausgewandert ist. ;)

An das ständige "Jau Jau", das man in Island zu jeder Tageszeit und beinahe in jeder Konversation hörte, hatte sie sich auch gewöhnt und kapiert, wie man es benutzen musste. Es gab verschiedene Formen: Ein etwas fragendes "Jau Jau" kam einem deutschen "Echt?" gleich. Wenn man in einem Gespräch war und keiner mehr etwas zu sagen hatte, benutze man das "Jau Jau" als eine Art "Dann wollen wir mal wieder weitermachen".

Die Geschichte an sich ist zwar vorhersehbar, aber authentisch aufgebaut. Das einzige, was mich etwas gestört hat, ist die Beziehung zwischen Pia und ihrer Tochter. Die wird kaum ausgearbeitet. Man merkt, dass die Rolle der Tochter nur dazu da ist, um die Geschichte voran zu bringen. Das fand ich etwas schade, zumal Pia zwar ständig sagt, dass sie sich um ihre Tochter sorgt und keine richtige Bindung mehr zu ihr spürt, aber sie unternimmt keinen einzigen Versuch, mit ihr etwas zu unternehmen. Nun ja....ansonsten wurde ich gut unterhalten und habe wie gesagt nebenbei einiges über mein zukünftiges Reiseziel gelernt (und nebenbei auch noch etwas über die Namensgebung einer berühmte Metal-Band :D).

"Wahnsinn", rief Pia und schoss ein paar Fotos von den weiten Lavafeldern und dunklen Seen. "Das ist ein bisschen wie bei >Herr der Ringe<. Fehlen nur noch die Trolle und die Elfen."
Ragnar lachte. "Der Ort heißt Dimmuborgir, die dunklen Städte. Tolkien hat sich seine Inspiration nicht umsonst aus den nordischen Sagen geholt."

Eine schöne, leichte Urlaubslektüre, die mal nicht im Süden spielt. Mag ich!

Titel und Cover: Ich mag das Cover, es passt natürlich wunderbar zur Geschichte. Die beiden jungen Frauen die hoffnungsvoll der rauen Küste Islands entgegenblicken. Den Titel finde ich nicht ganz so gelungen. Vielleicht habe ich etwas verpasst, aber mir ist im Buch nicht aufgefallen, dass die Schwestern sich irgendwann mal ein Versprechen gegeben haben. Korrigiert mich, wenn ich etwas vercheckt habe! "Die Islandschwestern" hätte da schon völlig gereicht.

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Ja, hoffentlich auf Islandreise.

Sonntag, 2. Juni 2019

(Unbezahlte Werbung wegen Nennung) Das Jahr nach dem Abi - Paul Bühre

Zusammenfassung: Wie will ich später leben? Was macht mich glücklich? Wie will ich Geld verdienen? Um das herauszufinden, bin ich ein Jahr durch die Welt gereist. Ich habe eine Kung-Fu-Schule in China besucht. Dort lernte ich unter anderem zwei kanadische Gangster kennen, trank viel Tee aus winzigen Tassen und brach mir (SPOILER!!) den Arm in einem Kickbox-Match. Dann war ich Lehrer in einer Dorfschule in Indien, wo ich ab und zu auch eine Kakerlake oder zwei getötet habe. Auf einem Bauernhof in Schottland habe ich mich anschließend von Indien erholt und drechseln gelernt, ohne einen Finger zu verlieren. Am Ende der Reise hatte ich ein paar Antworten auf die Fragen im Gepäck, die ich mir am Anfang gestellt habe.
Meine Meinung:

Puuuh, wie hart hinke ich mit dem Bloggen hinterher? Das wird auch nichts mehr mit der Jahres-Lese-Bilanz für 2018, da ich nicht mal die für 2017 fertig bekommen habe. Selbst dafür fehlen noch ein oder zwei Rezensionen und so langsam müsste ich die Bücher wohl nochmal lesen, um sie angemessen beurteilen zu können :D. Aber letztens dachte ich mir so "Katja, mach dir einfach keinen Stress damit, es soll ja Spaß machen." Daher rezensiere ich jetzt einfach mal schön weiter in unregelmäßigen Abständen vor mich hin. Es ist privat einfach zu viel los, als dass ich das hier super regelmäßig betreiben könnte. Und ich will ja demnächst auch mal wieder von anderen Sachen erzählen, also vom Mallorca Urlaub zum Beispiel. Oder von meiner neu aufgeflammten Sport-Motivation. Wir schauen mal :)

Obwohl mich das Cover so gar nicht angesprochen hat, hab ich die Leseprobe mal gelesen und siehe da, Herr Bühre hat mich direkt für sich eingenommen. So ein junger Mann und schon so viel Reife und Lebensweisheit. Das hat mir sehr imponiert und zieht sich auch durchs ganze Buch. Jugendsprache kommt zwar hier und da mal zum Einsatz, aber so, dass es weder gekünstelt wirkt noch nervt.

In meiner Familie haben wir selten Nachrichten geguckt, wir haben das nie so kultiviert wie andere Familien um 19 oder 20 Uhr. Es gab eine Tageszeitung, der ich jeden Morgen maximal 5 Minuten in schläfriger Langeweile geopfert habe. Für manche mag das ein Zeichen von Ignoranz sein, ich selbst habe nie so genau drüber nachgedacht. Aber ich weiß auch nicht, was besser ist: beim voll gedeckten Frühstückstisch oder während des Abendessens Artikel darüber zu lesen, dass Leute irgendwo auf der Welt hungern und sterben, und nichts zu tun - oder nichts Genaueres darüber wissen zu wollen und ebenfalls nichts zu tun.

Der Inhalt wird durch den Klappentext schon recht deutlich. Paul Bühre hat sein Abi in der Tasche und fragt sich nun, wie so viele junge Menschen, was er nun mit seinem Leben anfangen soll. Statt sinnlos irgendein Studium anzufangen möchte er lieber erst mal Reisen. Dabei möchte er zum einen seinen Horizont erweitern, sich selbst besser kennen lernen und sich über seine Ziele klar werden und nebenbei möchte er sich den Traum erfüllen, Kung Fu an einer richtigen Kung Fu Schule zu lernen.

Auf mich hat Kämpfen - sei es Boxen, Kung Fu oder auch die Gladiatoren-Battles im Kolosseum, die man aus Hollywood-Streifen und Büchern kennt - schon immer eine Faszination ausgeübt. Auch wenn ich mit der Aggression, dem Blut, der Gewalt normalerweise nichts anfangen kann. Vielleicht ist es das Unzivilisierte, Archaische, das Wilde, das mich reizt, jener Teil des Menschen, den wir so häufig verleugnen oder unterdrücken. Trotzdem ist er da. Ich denke, es ist doch viel besser, wenn man diesen Teil kontrolliert, also nach gewissen Regeln rauslässt, als einfach nur in einer sinnlosen Gewaltexplosion. Wenn man es schafft, seine Impulse zu lenken, kann man viel über sich lernen.

Unterstützt werden Bühres Erzählungen durch witzige Skizzen, die er während seiner Reisen gemacht hat.

Toll finde ich auch, dass es zu keiner Zeit um irgendwelche superspannenden Abenteuer geht, sondern wirklich eher um den Alltag in fremden Ländern und wie man damit umgeht, wenn mal etwas Unvorhergesehenes dazwischen kommt. Hier hat man wirklich mal das Gefühl, die Sitten und Gebräuche anderer Länder nahe gebracht zu bekommen.

Überall auf der Welt können Menschen Englisch, und man mogelt sich so durch, aber hier in China ist das immer noch schwer. Es ist nicht allein die Sprache, die kann man lernen. Es ist die Art zu denken, ein ganz anderer Lifestyle. Einfacher, aber auch geselliger. Man isst zusammen, teilt alle Speisen, macht pberhaupt selten etwas alleine. Nicht so wie im Westen, wo jeder sein eigenes Menü, sein eigenes Zimmer und vielleicht sogar sein eigenes Bett hat.
Das Buch ist eine tolle Mischung aus sehr ehrlichen Schilderungen der schlechten Zustände in anderen Ländern aber auch all den lohnenswerten Erfahrungen und Begegnungen, die man dort machen und erleben kann. Es macht Lust aufs Reisen ohne das Thema zu verklären (besonders für junge Leute ja auch wichtig). Es ist ein tolles Geschenk für alle, die ihren Schulabschluss in der Tasche haben, für alle, die gerne Reisen und für alle, die einfach gerne etwas über fremde Länder lesen.

"Aber irgendwie will ich auch nicht so ein Pfosten sein, der der Welt sagt: >Hey guck mich an, ich bin ein echter Shaolin-Kämpfer, weil ich jetzt keine Haare mehr auf dem Kopf habe.<
Andererseits wäre es ja voll traurig wenn ich zurückkomme und immer noch genau gleich aussehe"
Ich bin gerade mal einen Monat weg, und meine Welt ist völlig durcheinander. Meine Perspektive auf das Leben wurde durch drei geteilt und ist dann mit 23 multipliziert worden. Ich habe in der kurzen Zeit schon so vieles erlebt, was ich vorher nicht kannte. Dass China auf demselben Planeten liegt wie Deutschland, ist einfach absurd.


Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung!

Titel und Cover: Beides finde ich sehr mittelmäßig, weil es für mich überhaupt keine relevanten Rückschlüsse auf den Buchinhalt zulässt und auch generell optisch nicht wirklich ansprechend ist. Ohne die Leseprobe hätte ich das Buch sicher nie gekauft.

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Ja!