Zusammenfassung: Clint Lukas‘ Erzählungen sind eine Kriegserklärung an die Langweiler, die Heuchler und die Selbstgerechten. Sein Feind ist der Idiot an sich und seine Helden begegnen dem, was ihnen der absurde Alltag so vor die Füße kotzt, mit Ironie, Humor, Mescalin und anderen Drogen – aber vor allem mit Liebe und Leidenschaft. Sein alter ego ist kompromisslos ehrlich. Pointiert erzählt und für den Leser tragisch-komisch scheitert er, verliert sein Herz, lässt sich auf skurrile Kunst-Projekte ein und kämpft gegen den Stumpfsinn einer auf Konsum und Konformität getrimmten Gesellschaft.
Clint Lukas, Wahlberliner, Autor, Regisseur, bringt mit „Nie wieder Frieden“ seinen zweiten Kurzgeschichtenband heraus. Einige der 28 Texte wurden von ihm mit Kugelschreiber illustriert. Zwölf seiner dialogischen Erzählungen sprach der Autor für die beiliegende CD im Studio ein.
Meine Meinung: Normalerweise bin ich ja nicht so ein Freund von Kurzgeschichten. Entweder, ich komme gar nicht richtig rein in die Geschichte, bevor sie vorbei ist und baue gar kein Gefühl für sie auf oder ich ärgere mich, dass die Geschichte nicht länger ist. Hier habe ich das E Book bei Lovelybooks gewonnen und dachte, es kann ja nicht schaden, wenn ich mich mal wieder rantraue. Und es war echt nicht schlecht. Irgendwie schafft es der Autor, in kurzer Zeit die Situation der Geschichte klar zu machen. Sicherlich hilfreich ist es, dass die Hauptfigur eigentlich immer die selbe ist, nur die Situationen sind anders. Vieles scheint auch autobiografisch angehaucht zu sein, denn viele Geschichten spielen beispielsweise an Filmsets.
Aber seid gewarnt, das Buch ist nichts für Spießer. Es geht um Sex, es geht um jede Menge Drogen und politische Korrektheit kann man hier auch lange suchen. Für mich durchaus gewöhnungsbedürftig (hab manchmal echt geschluckt oder den ein oder anderen Satz zweimal gelesen, da ich sicher war, was falsch verstanden zu haben), da ich mich grundsätzlich schon eher in die Richtung Spießer einordnen würde, aber dadurch auch sehr erfrischend.
Alles in allem bin ich aber ziemlich beeindruckt von dem Buch. Es werden ganz viele verschiedene Themen angesprochen und so oft ich auch schmunzeln musste, so oft wurde ich auch wirklich zum Nachdenken gebracht. Die Geschichten über Drogeneskapaden und -trips habe ich eher mit fasziniertem Unverständnis gelesen, anfangen konnte ich damit nicht so wirklich etwas. Auch manche sexuellen Themen fand ich eher seltsam (siehe "Als der Hummerkönig die Stadt besuchte"), aber dafür gab es dreimal so viele für mich tolle Geschichten:
Spiel mir das Lied vom Tod - Eine Geschichte über den Horror, heutzutage einkaufen zu gehen und schöne Konsumkritik
L'Éducation Sentimentale - Es geht um toxische Beziehungen und dass Liebe blind macht
Laichzeit - Erfahrungen vom Filmset. Es gibt immer neue Aufgaben und jeder ändert täglich seine Meinung. Mit jedem neuen Budgetgeber kommt zwar mehr Geld in die Kasse, dafür wird aber die Entfaltungsfreiheit immer mehr eingeschränkt.
Auch in Pompeji gab es Steuereintreiber - Es geht darum, wie leicht man im grauen Alltag untergehen kann. Hier fühlt man sich verstanden.
Der Feind in den eigenen Reihen - Ganz allgemein: schweißtreibene Arbeit, schlechte bzw. gar keine Bezahlung und ignorante Chefs. Vom Thema her ein Dauerbrenner.
Tramadol - Quasi ein witziger Beipackzettel über ein Medikament
Was die Welt im innersten Zusammenhält - Absolute Lieblingsgeschichte. Es geht um die Deutsche Bahn, streng Gläubige und BIER. Beste Story!
Morituri te Salutant - Spielt im Hospiz. Auch ganz grandios! Könnte ein Theaterstück werden.
Oh Himmel, strahlender Azur - Arbeit mit schwer erziehbaren Jugendlichen. Herrlich!
Ihr seht, hier ist für jeden etwas dabei. Viel Gesellschaftskritik. Bei manchem nickt man ganz dolle und voller Zustimmung, bei manchem muss man sich an die eigene Nase packen. Manchmal grinst man einfach nur. Und manchmal ist man so viel offensichtlicher Kraftanstrengung, bloß nicht Mainstream zu sein (denn das ist wohl die krasseste Aussage des Buches) ganz erschöpft. Aber ich fand es toll. Ich glaube, das Buch hole ich mir nochmal so richtig. Zum Anfassen und drin blättern!
Titel und Cover: Es spielen nicht alle Geschichten in Berlin, aber einige, daher passt das schon mal. Die Menschenmenge/Soldaten in der Ecke könnten von einem der Filmsets sein. Genau so gut könnten sie die Armee sein, die gegen das Spießertum kämpft oder auch einfach die alltägliche Armee der Leute, die täglich gegen/für/mit dem Leben kämpfen. Die sich jeden Tag den kleinen und großen Aufgaben des Alltags stellen. Der letzte Gedanke gefällt mir am besten, denn das Buch richtet sich auch ganz klar eher an die kleinen Leute, an die, denen es nicht so gut geht, an die, die mit dem Leben manchmal zu kämpfen haben. Den Titel finde ich klasse. In Nie wieder Frieden kann man auch alles Mögliche reininterpretieren. Nie wieder Frieden für die Spießer, nie wieder Frieden für einen selbst, weil es sowas wie Frieden gar nicht gibt....
Und der Untertitel passt spätestens, wenn man das Buch gelesen hat :D
Würdest du das Buch erneut lesen? Ja. Ich könnte mir vor allem vorstellen, es bei einem Bierchen in der Kneipe mal rauszuholen. Man merkt den Geschichten übrigens auch an, dass der Autor auf Poetry Slams auftrifft. Sicherlich sind sie live vorgetragen nochmal um Längen besser!
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