Zehn Ostdeutsche zu finden, die für eine Fernsehserie aus ihrem Leben erzählen, sollte für Isabella Krause einfach sein. Schließlich ist sie in der DDR aufgewachsen, auch wenn sie mehr Jahre im vereinten Deutschland verbracht hat als in der DDR. Sie kehrt also an die Orte ihrer Kindheit zurück und findet Menschen, die sie für DDR-repräsentativ hält: die Traktoristin, den Stahlwerker, die Köchin, den ehemaligen Staatsschauspieler.
Doch der Filmautor kommt aus München und hat ein eigenes Bild von der DDR. Und das ist, dreißig Jahre nach dem Mauerfall, auf Diktatur, Mangelwirtschaft und Staatssicherheit geschrumpft. Doch was ist mit dem Leben der Anderen? Der ganz Anderen, die ihre Arbeit mochten, das Land tolerierten und am Wochenende »Ein Kessel Buntes« guckten? Und was unterschied das Familienleben Ost vom Familienleben West?
Davon erzählt Kathrin Aehnlich, wie es nur wenige können, mit Witz und Empathie, und zeigt, wie wichtig es ist, einander zuzuhören.
Meine Meinung: Ich habe Vorablesen übrigens nicht den Rücken gekehrt. Hatte nur so viel Anfangsglück bei Lovelybooks, dass ich da erst mal wie der Teufel rezensieren musste :D Daher habe ich dieses arme Büchlein erst mal vernachlässigt, aber jetzt kam es dran und war auch tatsächlich an einem Tag ausgelesen, weil das Buch auch nur knappe 180 Seiten hat. Im Prinzip gibt die Inhaltsangabe die grundsätzliche Geschichte schon ganz gut wieder. Isabella führt ein relativ tristes Leben als schlecht bezahlte Schauspielerin und nimmt daher den Job auch gerne an, der sich ihr bietet, auch wenn er hinter der Kamera spielt. Sie soll 10 Menschen finden, die für eine TV-Reihe aus ihrem Leben in der DDR erzählen. Blöd nur, dass die Menschen, die Isabella kennt, so gar nicht das schaurige Bild malen, das sich der Regisseur erhofft hat. Also muss sie sich was einfallen lassen.
Ich fand es sehr schön, hier auch mal eine andere Seite der DDR kennen zu lernen, denn tatsächlich besteht auch mein Bild dieses kurzlebigen Staates nur aus Stasi, Verboten und Mangel. Dass viele Menschen ihr Leben bzw. ihre Kindheit in der DDR als schön und normal empfunden haben, habe ich schon aus einigen Blogeinträgen von der Mäusedoktorin und von Pinni vernommen und fand den Gedanken zugegebenermaßen anfangs komisch. Daher fand ich es um so spannender, darüber mal ein Buch zu lesen. Und zwar von jemandem, der selbst in der DDR groß geworden ist.
Es waren kleine Dinge, die in ihrer Summe großes Glück bedeuteten: An jedem Morgen der Gang über die Düne, der Blick auf das glitzernde Meer, den feinen, weißen Sand unter den Fußsohlen spüren, sich darin kugeln oder eingraben, Kleckerburgen bauen, die winzigen Fische im flachen Wasser mit dem Kescher fangen, Muscheln suchen, im Strandkorb sitzen, der Geruch nach sonnengebleichtem Holz und Nussöl, das getrocknete Salz auf der Haut. [...]
Aber all diese Schätze zählten im Nachhinein nicht mehr. Die Ostsee wurde als Reiseziel nicht ernst genommen.
Das Buch macht an vielen Kleinigkeiten klar, weshalb die Kluft zwischen Ost und West immer noch oft groß ist. Woher dieses Gefühl kommt, dass man vergessen und überholt wurde von den Ereignissen. Das war super spannend zu lesen.
Gesucht wird beim Kreuzworträtsel ein "Zänkischer Zwergstaat mit drei Buchstaben"? Die Lösung hieß "DDR". Und genau auf diesen Zwergstaat wurde die DDR auch drei Jahrzehnte nach ihrem Untergang, oft völlig humorfrei, reduziert.
Isabella war es meist peinlich, wenn sie die Bilder von "Damals" sah, und sie fragte sich, ob sie sich im Nachhinein dafür schämen musste, in diesem Land gelebt zu haben.
Die Antipoden hießen nicht Sozialismus und Kapitalismus, sondern Großmutter Isa und Frau Magda. Die Familie war sich selbst genug und hatte das Land ringsherum als notwendiges Übel betrachtet.
Ganz herrlich fand ich die alltäglichen Erzählungen der Protagonisten, (die übrigens allesamt wunderbar beschrieben wurden, hatte sie alle bildlich vor Augen) die jedes Mal total irritiert waren, wenn die Frage aufkommt, ob sie denn nicht zu ALLEM gezwungen wurden?
Zwei kleine Kritikpunkte hab ich allerdings auch. Zum einen hätte man die Geschichte noch wesentlich besser ausbauen können. Ich konnte zu keiner der Personen eine wirklich Beziehung aufbauen, weil alle nur so kurze Auftritte hatten. Und ich hätte mir auch tatsächlich noch die ein oder andere Alltagsgeschichte mehr gewünscht.
Zum anderen wird am Anfang des Buches recht lange auf Isabellas aktuelle Situation eingegangen (einsam, Glücksspiel etc.) und hinterher kommt das überhaupt nicht mehr zur Sprache. Das wirkte auf mich irgendwie unfertig.
Wenn man aber sein Bild von der DDR etwas abrunden möchte oder aber dort aufgewachsen ist, wird dieses Buch sicherlich Freude bereiten.
Titel und Cover: Zum Cover muss man nicht viel sagen, die enthaltenen Bilder passen alle wunderbar zur DDR. Vor allem die Weltuhr auf dem Alexanderplatz ist auch ein DDR Projekt gewesen, das war mir gar nicht bewusst. Der Titel wird am Ende des Buches auch sehr klar, ein gutes Gesamtpaket also.
Würdest du dieses Buch erneut lesen? Zugegebenermaßen bin ich mir da nicht so sicher. Ich denke, ich werde es verschenken. :)
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