Ray Celestin ist ein brillanter Debütroman gelungen, der sich in einer Mischung aus Fakten und Fiktion um eine der spannendsten und geheimnisvollsten Mordfälle der nordamerikanischen Geschichte rankt.
Meine Meinung: Dieses Schätzchen hat Viola mir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt und ungefähr so lange ist es auch schon her, dass ich das Buch gelesen habe. Da es aber zu einem meiner Lesehighlights 2018 zählt, darf es auf keinen Fall in Vergessenheit geraten und muss unbedingt auf den Blog.
Das Buch hat mich nämlich aus mehreren Gründen begeistert. Zum einen wird in 4 Erzählsträngen berichtet. Michael ist ein engagierter Detective, der zusammen mit seinem jungen Gehilfen Kerry versucht, den Axeman zu stoppen. Er ist der Einzige, der offiziell in der Sache ermittelt. Luca war früher Michaels Kollege, bevor dieser Lucas korruptes Verhalten öffentlich gemacht hat. Obwohl die beiden mal viel verbunden hat, sind sie dadurch zu Kontrahenten geworden. Luca soll für die Mafia ermitteln, wer der Täter ist.
Und dann sind da noch Ida und ihr Freund Louis. Sie ermitteln quasi privat, beide aus unterschiedlichen Motivationen heraus. Eine solche Erzählweise macht das Lesen für mich nahezu immer spannender, kurzweiliger und verleiht der Geschichte außerdem mehr Tiefe, weil man so viele verschiedene Perspektiven aufgezeigt bekommt.
Mit Louis Armstrong kommt neben dem Axeman außerdem ein zweiter Charakter ins Spiel, der keine reine Fiktion ist, auch wenn der echte Armstrong mit dem Axeman Fall vermutlich höchst wenig zu tun gehabt hat. Er passt aber perfekt in das Setting von New Orleans um 1918 herum. Und ich liebe es, wenn ich etwas lese, was nicht rein fiktiv ist. Fakt ist, der Axeman hat in den Jahren 1918 und 1919 sechs Menschen getötet und es gab viele Verdächtigungen aber er wurde in der Realität nie gefasst. Die beiden Briefe, die im Buch abgedruckt sind, sind Originalabschriften der damaligen Axeman Briefe. Solche Sachen verleihen einem Roman doch gleich nochmal etwas mehr "Würze" ;).
Neben einer wirklich spannenden Geschichte mit authentischen Charakteren gelingt es Celestin auch auf einzigartige Weise, die Atmosphäre des damaligen New Orleans einzufangen. Ich war sofort in den Bann gezogen von dieser durch und durch musikalischen, lebhaften Stadt, die auf trockengelegtem Sumpfgebiet gebaut ist und in der so viele Kulturen teils friedlich, teils sehr abergläubisch und misstrauisch zusammengelebt haben. Ich möchte auf jeden Fall unbedingt mal in diese Stadt!
Der alte Mann begegnete ihrem eindringlichen Blick mit großen, trüben Augen und nach einigen langen Sekunden windumtoster Stille nickte er, hob die Hand an die Brust und drehte seine Schärpe um, sodass sie ihre Festtagsseite zeigte, knallbunte Farben, ein afrikanisches Karomuster in Rot, Gold und Grün, das durch den Nebel leuchtete. Fast im selben Augenblick verwandelte sich die Beerdigungsgesellschaft, als hätte ein Geist die Kontrolle über die Menschenmenge übernommen. Die Clubmitglieder drehten ihre Mietgliedsabzeichen um, die Bandmitglieder taten dasselbe mit ihren Jacken, hier und da war ein Lächeln zu sehen, der Mashal blies seine Pfeife, und ehe sich's jemand versah, spielten die Bands Tanzmusik - ein derbes, lautes, ironisches Stück: Oh Didn't He Ramble. Die Bläser schmetterten, die Secondliner tanzten zwischen den Gräbern, und die Clubmitglieder öffneten Bourbonflaschen und brachten einen Toast auf den Verstorbenen aus. Eine Karnevalsatmosphäre erfasste die Parade und trug sie mit sich, als sie sich über den Friedhof zurück auf die Straße schlängelte, wo sich noch mehr Menschen dem Spaß anschlossen und sich eine stetig wachsende Menge von Feiernden aufmachte zum Leichenschmaus.
Zu der Zeit, in der die Geschichte spielt, war Jazz grade ganz groß im kommen. Nicht umsonst spielt Louis Armstrong mit ;). Und neben ganz tollen Jazz-Tipps, die das Buch mir geliefert hat, hat es dafür gesorgt, dass ich beim Lesen ständig das Gefühl hatte, überall leise Jazz zu hören.
Kerry hatte gelernt, dass in New Orleans alles von Musik begleitet wurde, von Demonstrationen über Beerdigungsprozessionen und Werbewagen bis hin zum Verkauf von Waren an der Straßenecke. Es war, als wären die Bewohner nur glücklich, wenn sie ein Lied auf den Lippen hatten.
Irgendwann habe ich mir dann bei Youtube diese Zusammenstellung angemacht und sie hat so toll zum Lesen gepasst <3 Und auch unbedingt hören müsst ihr den Axeman Jazz, logischerweise quasi der inoffizielle Titelsong, der zu der damaligen Zeit entstand. Man muss sich das mal vorstellen. Ein Serienmörder teilt der Öffentlichkeit mit, wann er wieder zuschlagen wird und dass er niemanden töten wird, der zu der Zeit Jazz hört. Na spätestens dann würde ich auch mit Jazz liebäugeln ;)
Alles in allem sind viele Sachen einfach toll recherchiert. Oft sind es Beiläufigkeiten, die eine Erzählung so glaubwürdig und lebendig werden lassen. Mal ist es die Erwähnung von Bildern von zur damaligen Zeit berühmten Pin Up Girls, mal die Bestellung des in New Orleans berühmten Absinthe House Frappé hinter vorgehaltener Hand, weil er zur Zeiten der Prohibition natürlich verboten war.
Der Geschichte schwingt zudem immer ein subtiles Gefühl mit, dass jeden Moment etwas Gruseliges, Übernatürliches passieren wird.
Das alles zusammen hat mich wunderbar unterhalten! Zu guter Letzt hat mir auch die Auflösung des Falles sehr gut gefallen. Es erschien mir passend. Das Buch hat mich rundum zufrieden zurück gelassen und ist auch mal was anderes, als der typische Krimi oder Thriller.
Titel und Cover: Sind genau so großartig wie die Geschichte selbst. Das Cover erinnert entfernt an eine Tarotkarte, welche im Buch auch eine große Rolle spielt. Und der Titel erklärt sich von selbst und passt perfekt! Jazz ist an sich etwas Tolles, wurde zur Zeit des Axeman aber natürlich teilweise von unguten Gefühlen begleitet.
Würdest du dieses Buch erneut lesen? Jederzeit!
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