Mittwoch, 5. April 2017

Ein Sommer in Corona del Mar - Rufi Thorpe


Klappentext: Es ist Sommer in der südkalifornischen Stadt Corona del Mar. Die beiden Freundinnen Mia und Lorrie Ann sind unzertrennlich. Doch als Lorrie Anns Vater stirbt, weiß Mia nicht, was sie für ihre Freundin tun kann. Und dies ist nur der erste von vielen schweren Schicksalsschlägen, die Lorrie Ann treffen werden … Jahre später steht Lorrie Ann plötzlich wieder vor Mias Tür: barfuß, hungrig und vom Leben gezeichnet. Und Mia kann nicht verstehen, wie das Leben ihrer scheinbar makellosen Freundin so aus dem Ruder laufen konnte. Kann es sein, dass sie Lorrie Ann nie wirklich gekannt hat?
Meine Meinung: Ich überrasche euch bestimmt nicht, wenn ich schreibe, dass ich dieses Buch auch gewonnen habe :D Im Moment muss ich mich wirklich ranhalten mit dem Lesen, denn ich will meine Rezensionen ja auch zeitnah abliefern. Wenn ich schon so viele Bücher dank der Plattform lesen darf, dann möchte ich das auch im Rahmen meiner Möglichkeiten honorieren. 
Das hier ist ein Buch, bei dem mich die Leseprobe gar nicht so wahnsinnig überzeugt hat, bei dem ich aber gedacht habe, dass ein Versuch nicht schaden kann. Im Nachhinein eine sehr gute Idee! 

Mia uns Lorrie Ann wachsen in dem kleinen Stadtteil Corona del Mar, direkt an der Küste des Bundesstaats Kalifornien, auf.
Es ist ein verschlafenes kleines Örtchen, das in Mias Erinnerung romantisch verklärt rüberkommt, wie es sicher so oft ist bei Orten, die man mit Kindheitserinnerungen verbindet.

Doch als Lorrie Ann und ich jung waren, war Corona del Mar halb leer, irgendwie verfallen, von wundervollen Düften erfüllt. Immer lag Jasmin in der Luft oder der weniger aufdringlichere, grünere Geruch von Jasmin-Nachtschatten oder der fast feindliche, pfeffrige Duft von Bougainvillea. In einfach jedem Graben und auf jedem Grünstreifen breitete sich mit erschreckender Beharrlichkeit Hexenfinger aus, und man konnte seine Stiele abbrechen und mit Wasser auf die Gehsteige schreiben, geheime Botschaften, von der heißen Sonne unsichtbar gemacht wie Geheimtinte. 


Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Mia. Für sie ist Lorrie Ann fast eine Art Heilige. Die einzige, die eine intakte Familie hat, die einzige, die immer gut aussieht, die einzige, die immer weiß, wie man sich benimmt. Mia und die anderen Kinder stammen alle aus zerrütteten Familien, klauen an der Tankstelle im Ort und wissen nicht so genau, was sie mit ihrer Zukunft anfangen sollen. Dennoch sind die beiden eng befreundet und verbringen praktisch ihre ganze Kindheit gemeinsam. Lorrie Ann ist für Mia da, als diese bei ihrem ersten Mal schwanger wird und das Kind abtreiben lässt. Lorrie Ann ist da, wenn Mias Mutter mal wieder betrunken ist und sich nicht um Mia und ihre jüngeren Brüder kümmern kann. Genauso versucht Mia für Lorrie Ann da zu sein, als ihr Vater stirbt und ihr Leben aus den Fugen gerät. Doch irgendwie kommt sie sich dabei immer unzureichend vor.

Und dann passiert das, was vielen Kinderfreundschaften irgendwann passiert: Das Leben mit seiner ganzen Wucht. Mia erkämpft sich ein Studium in Yale und geht immer mehr in ihrer Leidenschaft, der Übersetzung uralter, längst vergessener Sprachen auf. Sie zieht nach Istanbul,  lernt Franklin kennen, scheut sich aber lange Zeit vor einer engeren Bindung. Lorrie Ann wird bald schwanger und heiratet Jim, einen Koch aus dem Ort. Sie verlieren sich aus den Augen.
Doch was bei Lorrie Ann immer noch lange nach einem normalen, glücklichen Leben aussieht, entwickelt sich langsam zu einem Horrortrip.
Mia verliert immer mehr die Bindung zu ihrer Freundin, sie telefonieren nur noch sporadisch, und als Lorrie Ann irgendwann in Istanbul vor ihr steht, merkt Mia, dass sich alles verändert hat. Plötzlich ist sie diejenige, die die mit beiden Beinen fest km Leben steht und die Lorrie Ann helfen muss.

Ich hörte, wie im Bad Wasser lief. Lorrie Ann war hier, war hier in meinem magischen Apartment, wo nichts zusammen passte und wo alle Messer stumpf waren, und was hätte wundervoll sein sollen, war schrecklich. Sie setzte sich in meinem Bad einen Schuss, und ich war vor Schreck so gelähmt, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte, außer vorzugeben, alles sei normal.


Doch wie sollte das gehen, wo die Lorrie Ann, die sie aus ihrer Kindheit kannte, nicht mehr da ist? Lorrie Ann war doch immer die Starke gewesen, die wusste, wo es langgeht. Oder hat es diese Person nie gegeben? Hat Mia immer nur ihre Vorstellungen und Wünsche auf die Freundin projiziert? 

Hab ich nicht am Wochenende noch geschrieben, dass ich Bücher liebe, die mich mit elementaren Fragen konfrontieren? Nun, dieses hier ist auch wieder so ein Buch.
Wie gut kennen wir die Menschen, mit denen wir befreundet sind? Wie gut kann man jemand anderen grundsätzlich kennen? Was macht ein erfolgreiches Leben aus? Wie viel Pech kann man aushalten? Wie sehr muss man sich als Mutter selbst aufgeben? Bis zu welchem Punkt ist ein Leben noch lebenswert? Darf man für andere entscheiden, ob sie leben oder sterben sollen? Darf man Freundschaften einschlafen lassen? Diese Fragen stellen sich beide Frauen unter völlig verschiedenen Voraussetzungen. Beide sind stark und schwach zugleich und haben mich grade deswegen unglaublich fasziniert.

Dieses Buch zeigt auch auf erschreckende Weise, wie zerbrechlich Glück sein kann und wie schwierig Freundschaften manchmal sein können. Was anfangs noch eine unbeschwerte Geschichte zweier Mädchen zu sein scheint, entwickelt sich immer mehr zu einem Drama und beide können irgendwie nichts dagegen unternehmen. Sie bemühen sich und sind doch machtlos. Und trotz dieser Tatsache und der vielen traurigen Aspekte, ist das Buch nicht deprimierend. Es zeigt, dass man manchen Dingen seinen Lauf lassen muss, sie akzeptieren muss. Und das Ende ist wunderbar. Unerwartet, hoffnungsvoll und dabei nicht kitschig oder gar unrealistisch.

"Kann irgendjemand einen anderen Menschen überhaupt richtig kennen? Kennst du mich?"
"Falls ich dich nicht kennen sollte", sagte Franklin und rollte sich auf mich, "dann werde ich es mir zur Lebensaufgabe machen, dich richtig kennen zu lernen."

Leider passen sowohl Titel als auch Cover für mich nicht zur Geschichte. Der Titel vermittelt den Eindruck, es ginge hauptsächlich um die Zeit in Corona del Mar, was mitnichten so ist. Nur der Anfang spielt dort. Zwar ist die Freundschaft der beiden Frauen dort entstanden, allerdings spielte sich das auch nicht in nur einem Sommer ab. Das Cover sieht für mich nach einem seichten Urlaubsroman aus. Passender wäre eine Fotografie von zwei lachenden Frauen oder ein Bild von einer verlassenen Straße, auf der zwei kleine Mädchen spielen, gewesen. 

Aber der Inhalt ist natürlich wichtiger und sehr gelungen. Nachdem ich das Buch zugeklappt habe, saß ich noch lange einfach da und habe vor mich hingestarrt und nachgedacht. Sind das nicht die besten Bücher? ;)

Würdest du dieses Buch erneut lesen? Ja!

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